Bildungsruinen entrümpeln

Gleich nach den 1968er-Bewegungen keimten neue Hoffnungen auf Chancengleichheit für Schulkinder aus bildungsfernen Familien. Der darauf aufbauende Reform-Eifer lebte etwa 30 Jahre von heiß diskutierten Schlagwörtern wie antiautoritäre Erziehung, Vorschulerziehung, Orientierungsstufe, Gesamtschule, Zahl der Hochschulabsolventen und natürlich auch der Chancengleichheit. ‒ War es Substanz oder Illusion?

Die ersten Illusionen entsorgte der sogenannte Pisa-Schock im Jahr 2000. Er legte anhand der Testergebnisse bittere Früchte frei. Deutsche Kinder belegten nur untere Mittelplätze. Aber die schlimmste Nachricht war, dass Kinder aus sozial schwachen Familien besonders in Deutschland um durchschnittlich fast 1,5 Schuljahre hinterherhinkten.

Der anschließend wieder auflebende Aktivismus bemächtigte sich neuer Schlagwörter wie PISA, IGLU, VERA, IBQ, PIAAC, NEPS und Kompetenz-Modell. Damit stempelten Schulbehörden viele bisherige Lernschulen zu Testschulen. Selbst Lehrer fürchteten schulübergreifende Vergleiche, trimmten ihre Schüler auf Testvorlagen und halfen ihnen mitunter sogar während der Tests; wie u.a. »die Zeit« im Interview mit Prof. Hans Anand Pant folgerichtig vermutete.

Dennoch besserten sich die Testleistungen nur wenig und der Kompetenzabstand zu Kindern aus bildungsfernen Familien blieb annähernd konstant, wie neueste Pisa-Ergebnisse zeigen. Bemerkenswert: Das nach 1968 hochgejubelte Thema »Chancengleichheit« verdrückte sich zeitgleich schamhaft in den Abstellkammern der Schulprotagonisten.

Ratlosigkeit breitete sich aus, denn außer dem nie abreißenden Schrei nach mehr Geld, war nichts wegweisendes mehr zu hören. Vielleicht ruhten noch letzte Hoffnungen auf der seit etwa 1990 von Neurowissenschaftlern versprochenen Aufklärung zu unseren Gehirnfunktionen.

Doch anstatt Erkenntnisse aus Gehirnfunktion praxisnah zu präsentieren, drängten sich Neuroforscher vermehrt mit sogenannter Neuropädagogik in die Schulpolitik und vermitteln ihre »Neuroweisheiten« über Lehr- und Lernmethoden in Schulversuchen und in Büchern.

Leider auch vergeblich. Denn alle bisherigen Versuche dazu blieben bisher ergebnislos im Sinne der Chancengleichheit. Und die besagten Neuroerkenntnisse entpuppten sich als Neuroaufguss längst bekannter Einsichten. Für Lehrer etwa so:

1.    Stehen Sie zu sich und Ihrem Fach – vermitteln Sie Relevanz.

2.    Praxisbezüge sind wichtig, wobei „Praxis“ die Lebenswelt des Schülers meint.

3.    Spielerische Elemente und Überraschungen unterstützen den Lernprozess – auch wenn sie ganz kurz sind!

4.    Nutzen Sie neue Medien wo immer möglich – das erhöht den Hipness-Faktor von Stoff und Lehrer.

5.    Fordern Sie die Mitarbeit der Eltern ein!

6.    Lernen Sie eine Entspannungsmethode – wenn Sie gestresst sind, schadet das den Schülern, vor allem aber Ihnen.

7.    Bewegung ist wichtig – sie versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und baut Stresshormone ab.

Für Schüler etwa so:

1.    Wer lernen will, muss ausreichend schlafen und ausgeglichen ernährt sein. Langzeiterinnerungen werden vor allem im Schlaf gebildet – es lohnt sich also, vor dem Einschlafen den Stoff nochmals anzuschauen.

2.    Für ältere Schüler: Schauen Sie rechts und links des Lernstoffes – ein größerer Kontext erhöht das Verständnis.

3.    Sprechen Sie über den Lernstoff, bringen Sie ihn anderen bei – damit verändert sich die Verarbeitung, das Verständnis und die Behaltensleistung erhöht sich.

4.    Pauken ist nicht immer falsch – die Wiederholung verbessert die Lerntiefe.

5.    Warten Sie nicht zu lange mit den Hausaufgaben – was weg ist, ist weg, und der Aufwand ist mit frischer Erinnerung geringer.

6.    Stress ist auch für Kinder und Jugendliche ein Thema – und für sie genauso schädlich. Entspannungstechniken wirken auch schon in jungen Jahren und machen den Kopf frei.

7.    Bei Hausaufgaben kein Multitasking – am schnellsten geht es so: Fach für Fach abhandeln und alle elektronische Geräte und Unterbrechungsquellen ausschalten.

8.    Bewegung ist wichtig – sie versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und baut Stresshormone ab.

Diese beiden Listen stammen aus dem Beitrag »Neurodidaktik 2012: Lernen muss Spaß machen« von »dasgehirn.info«. Fazit: Nichts neues, alles aus dem vorigen Jahrhundert. Nur demonstrierte Unwissenheit oder Wichtigtuerei der Hirnforscher in Sachen lernen.

Wer nichts von Mathematik versteht, sollte keinen Matheunterricht erteilen. Wer selbst kein Englisch spricht, wird niemandem diese Sprache beibringen können. Doch wer nicht weiß, wie unsere Gehirne lernen, erinnern, denken und entscheiden, sollte nicht theoretisch hochstapeln und seine »Finger« von den Lernkanälen unserer Kinder lassen, denn er kann nur alles falsch machen und irreparable Schäden hinterlassen.

Das gilt besonders für jene Neurowissenschaftler, die oft so tun, als ob sie vom Lernen mehr verstehen als praxisnah ausgebildete Pädagogen. ‒ Wir aber wissen, wie die Gehirne unserer Kinder ticken, wie sie lernen, erinnern, denken und entscheiden. Siehe unter »Wie wir denken und entscheiden«.

 

Diese Erkenntnisse liefern alle Grundlagen für jene schon in den Abstellkammern modernde Chancengleichheit. Wir müssen sie nur nutzen und damit unsere Bildungsruinen entrümpeln. Denn bisher werden unsere Kinder ebenso wie wir früher, mit falschem Lehrstoff und falschen Lehrmethoden misshandelt. ‒ Lassen wir also unsere Kinder nicht im Stich und gönnen ihnen ein gerechteres Schicksal.

Sprung1

Warum lernen so weh tut?

Rück-Link mit rechter Maustaste - Warum lernen so weh tut?

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Sie spazieren im Mondlicht. Von links nähert sich eine unerkannte menschliche Gestalt. Sie fühlen sich unwohl, schwitzen, möchten davonlaufen; doch dann erkennen Sie Markus, ihren Freund.

Unerkanntes erzeugt Zweifel mit den bekannten üblen Gefühlen. Gleichgültig, ob sich dahinter ein Wesen, ein Sachverhalt, einzelne Wörter oder die ungewisse Zukunft verbirgt ‒ das üble Gefühl dauert so lange, bis Unerkanntes sich als bekannt entpuppt.

Die Schule hält dafür noch Steigerungen bereit: Unerkanntes ist dort meist auch Unbekanntes. ‒ Unbekanntes, das noch mühsam erlernt werden muss, also düstere Zukunftsaussichten. Mit solchen Erkenntnissen wachsen Intensität und Dauer der üblen Gefühle. Gleichzeitig empfangen Schüler laufend neue unbekannte Wörter und Sachverhalte. ‒ Kein Wunder, wenn Unwohlsein sich häufig zu richtigen Zweifel-Schmerzen aufbäumt.

Deshalb muss ein Lehrer emotionalen Kontakt mit seinen Schülern halten. Solange er in aufmerksame Gesichter mit leicht schief geneignem Kopf blickt, ist alles gut. Beginnt aber Unruhe, erscheinen Gesichter gerade, wie versteinert; oder neigen sich Oberkörper gar zur Tür hin ‒ dann haben die Schmerzen gewonnen und der Lehrer verloren. Siehe dazu auch »Verborgene Signale«.

Nur wenige Lehrer können solche Situationen richtig einschätzen und situationsgerecht handeln. Deshalb muss ein anhaltender Gedankenaustausch mit den Schülern dem Lehrer signalisieren, wenn der Kontakt mit dem Lehrstoff abreißt. Dazu gehören Wortmeldungen ebenso wie lehrerseitig angemessene Vortragspausen mit kleinen Ablenkungen oder Verständnisfragen. Doch schülerseitige Wortmeldungen mit Verständnisfragen scheinen heute zugunsten anhaltender Zweifel-Schmerzen auszusterben, wie in »Offene Fragen« zu erfahren gewesen.

Zudem erzeugt jedes Schulfach Leistungsträger und Nachzügler. Während Leistungsträger sich langweilen, sind Nachzügler oft schon gedanklich ausgestiegen, chatten unter dem Tisch oder stören den Unterricht. Durchsetzungsfähige Lehrer können das unterbinden, doch nur unter weiteren Schmerzen für alle Aussteiger, denn den Faden zum Stoff werden sie kaum noch herstellen können. Alles bleibt unbekannt und jetzt doppelt schmerzhaft.

So werden Leistungsträger gebremst und Nachzügler gefoltert, statt gefördert. Der einzige öffentlich erkannte Weg aus dieser Sackgasse heißt: Klassengrößen verringern. ‒ Aber wie weit? Idealerweise müsste jeder Schüler und jede Schülerin einen eigenen Lehrer beschäftigen, der überdies noch möglichst alle Fächer beherrscht.

Doch das ist unbezahlbar. Bisher konnten Klassengrößen in Deutschland von etwa 40 Schülern pro Klasse in 1950 auf durchschnittlich 25 im Jahr 2010 gesenkt werden. Bisher allerdings ohne sichtbare Mehr-Lernerfolge.

Deshalb bleibt nur noch, den Stoff zu kürzen. Schließlich schätzen Experten die Restmenge des später noch abrufbaren Lernstoffes auf etwa ein Prozent. So beispielsweise Thomas Städler im Focus-Beitrag 16/2013 Der sogenannte »1-Prozent-Mann«. Thomas Städler ist ein Psychologe mit vielen Lehrerpatienten, die unter ihrem Beruf litten. ‒ Nun ja, schätzen kann jeder. Ich habe den Abruf-Prozentsatz vorher auch schon mit 2 Prozent geschätzt. Doch lassen wir die 1 Prozent stehen, denn Thomas Städler hat darin mehr Einsichten.

Damit stellt sich die riesengroße Frage: Was bitte soll dann die ganze Schule? ‒ Dabei meine ich weniger das viele Geld für bezahlte Lehrer, sondern vielmehr die unnötigen Lernschmerzen, die uns bis zu dreizehn Lebensjahre lang für gerade mal 1 Prozent Restwissen quälten. Und ich fürchte, in den Hoch- und Berufsfach-Schulen sieht es nicht besser aus. Denn die meisten späteren Arbeitsgebiete können sich maximal zu 20 Prozent auf lehrplanmäßiges Fachwissen stützen. Das heißt: 80 Prozent des Arbeitsplatzwissens muss sich jeder selbst aneignen. Und dies ohne zu berücksichtigen, dass wir eine Menge des gelernten Wissens nicht wiederfinden.

„Schön“, könnten Sie jetzt einwenden, „dafür spezialisieren sich berufsbildende Lehranstalten mit heute etwa 350 Berufen und etwa 600 Studienfächern.“ ‒ Richtig, nur engt dies die Entfaltungsmöglichkeiten im Beruf ein. Denn Technologiewechsel lassen die schmalen Fundamente einseitiger praxisorientierter Berufsbildung schnell bersten. Und das Rentenalter erlebt ein solcher Schmalspur-Beruf kaum noch.

Bleibt also nur: Weiter mit den vielstimmigen Schreien nach mehr Geld für ein ineffizientes Schulsystem mit gefoltertem Nachwuchs. Oder?

Ja oder ‒ denn es geht auch anders. Schließlich erreicht der Schulstoff höchstens 10 Prozent unseres Lebens-Lernpensums. 90 Prozent erfassen wir mit unseren Sinnen völlig schmerzfrei, und meist sogar lebenslang abrufbar.

 

Diese 90 Prozent schmerzfrei eingelagerter Erinnerungen erzählen unser ganzes Leben. Sie bestehen aus erlebten Landschaften, wahrgenommenen Gesichtern, verpassten Chancen, Enttäuschungen, genossenen Erfolgen, erfüllten Lebensinhalten und vielem mehr. Es sind die unauslöschlichen Erfahrungen unseres Lebens.

Sprung2

Erfahrungen simulieren

Rück-Link mit rechter Maustaste - Erfahrungen simulieren

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Erfahrungen also sind es, die uns lebenslang haltbare Erinnerungen schenken. In der Schule trafen wir sie nur selten. Doch von einem Ausflug in den nahen Wald können wir heute noch berichten. Davon, wie uns der Lehrer auf Moose, Farne, Veilchen sowie Bärlauch aufmerksam machte und uns aufforderte, vom Sauerklee zu kosten. Er schmeckte damals schon so sauer wie heute.

Wenn sich ehemalige Schulkameraden treffen, kann der Erlebnisaustausch stundenlang dauern. Denn jede Einzelheit ist noch präsent. Selbst die nie fehlende gelbe Krawatte des Kunstlehrers leuchtet immer noch so wie damals. Doch über Lerninhalte sprechen sie nie, denn die existieren kaum noch im Gehirn. ‒ Warum bitte funktionieren wir die Lern-Schule nicht zu einer Erfahrungs-Schule um? Wir würden freudig ein Leben lang Erfahrungen sammeln.

Um herauszufinden, wie das funktioniert, müssten wir jene Menschen fragen, die es geschafft haben und sich ein Leben lang mit großer Freude immer neue Erkenntnisse aneigneten. Alle herausragenden Wissenschaftler dürften dazugehören. Auch hatten überraschend viele von ihnen anfangs schlechte Schulnoten. Der Startschuss zum Genie entstand oft aus einem sogenannten Aha-Erlebnis, also einer Erkenntnis, die alle notwendigen Energien für ein ganzes Leben freisetzte. – Doch fürchte ich, sie können ihr unsagbares Glück selbst nicht erklären. Versuchen Sie es.

Im Titel »Denken in Erkenntnissen« erkannten Sie schon einiges darüber. Beispielsweise, dass Erkenntnisse für mindestens zwei Fakten einen Denkknoten darstellen.

Sie wissen zum Beispiel, dass sich Feuer heiß, und Wasser kalt und nass anfühlt. Beide Fakten haben zunächst keine Beziehungen miteinander. Doch Feuerwehrmänner erzählen, vom Wasser, mit dem sie Feuer löschen. Und plötzlich hat Wasser ein Band, ein Bindeglied zum Feuer, denn Wasser löscht Feuer.

Ein zweiter Bezug zwischen Feuer und Wasser muss gedanklich weiter geknüpft werden. Dafür besteht dieser Bezug aus mehreren Bindegliedern wie Haus verloren, Versicherung oder gar Tod. Feuer kann ebenso wie Wasser das eigene Haus zerstören, den Tod von lieben Mitmenschen herbeiführen und für beides gibt es Versicherungen.

Welch Wunder, dass wir bei einem Großbrand in der Tagesschau oft gleichzeitig an das eigene Haus, an Wasser, an Tod und an Versicherungen denken. Denn diese Fakten bilden in den meisten unserer Gehirne eine von Millionen vernetzter Erkenntnisse, auch Denkknoten genannt.

Neue Eindrücke lagern sich vornehmlich an bereits vorhandene Erinnerungen an und verknüpfen sich dabei mit ihnen. Und das umso intensiver, je ähnlicher sie untereinander sind und je mehr Verknüpfungen die vorhandenen Erinnerungen bereits aufweisen. Ähnlich heißt für das Gehirn: Es bestehen vorher Verknüpfungen zu gleichen anderen Erinnerungen.

So kann der Gedankeninhalt eines Gehirns wachsen und bis ins hohe Alter reifen.

Die Schule aber vergewaltigt unsere Gehirne. Denn sie fordert stupides lernen von definierten, meist zusammenhanglosen Wissensportionen wie Vokabeln, Formeln, Geschichtszahlen, Grammatikregeln usw. So tut Lernen nicht nur weh, sondern treibt einsame, nicht verknüpfte Wissenshäppchen schnell wieder aus dem Gedächtnis, weil sie als Außenseiter kaum vernetzt sind. Nur etwa 1 Prozent von ihnen finden ähnliche Erinnerungen und vernetzen sich zu lebenslanger Präsens.

Zwar bemühen sich Lehrer auch um Erkenntnisse für die Schüler in ihren Fachgebieten, erreichen damit aber nur wenige Schüler so intensiv, dass sie den Pflichtstoff schmerzfrei in vorhandene Erkenntnisse einlagern können. Der Grund dafür sind zu vollgestopfte und immer weiter wachsende Lehrstoffpläne.

Lernen darf also nicht heißen, Fakten pauken, sondern es ist ein Kampf um die Vernetzungen der einzelnen Erinnerungen im Gehirn. Erinnerungen aus Erlebnissen haben damit keine Probleme. Aber wie formen wir schulische Lerneinheiten zu Erfahrungen? Und wie lange soll Schule dann dauern? 10, 100 oder 1.000 Jahre? Und wie hoch wäre der Aufwand, wenn jeder erleben müsste, wie sich eine Mondlandung anfühlt? Auch Sexualunterricht wäre bei heutiger Gesetzeslage ein schier unüberwindliches Problem.

Weil es zu lange dauert, alle Erfahrungen selbst zu erleben, müssen wir die notwendigen Erfahrungen simulieren.

Um Erfahrungen zu simulieren müssten wir Erlebnisse im Ohrensessel erfinden. Dabei würde vieles fehlen und manches wäre falsch. Überdies wären umfangreiche Recherchen notwendig, wie sie Autoren durchführen, wenn sie Charaktere, Milieus, Sachverhalte oder Landschaften wiedergeben wollen. ‒ Ein recht langwieriger Aufwand.

 

Aber eine Simulationsart funktioniert schon seit Menschen auf diesem Erdball tapern: Es ist die Lösung von Problemen. Probleme, wie wir sie täglich lösen müssen für praktische oder abstrakte Belange. Mit dieser Erkenntnis schaffen wir stupides Lernen gänzlich ab.

Sprung3

Lernen war gestern

Rück-Link mit rechter Maustaste - Lernen war gestern

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Nachdem unauslöschliche Erfahrungen mit simulierten Problemlösungen machbar sein sollen, müssen wir uns diesem Phänomen zuwenden, denn es würde unsere Nachkommen vom Joch des Paukens in allen Schulen erlösen. - Pauken tut wirklich unsäglich weh!

Beginnen wir mit Bekanntem. Im Untertitel „Ein Wortpflänzchen mit hohem Ertragswert“ erkannten wir das magische Wort „warum“. Anwendbar, um mindestens 50 Prozent aller Problemfälle im täglichen Leben zu hinterfragen. - Warum finde ich die Schuhbürste nicht? Warum springt der Wagen nicht an? Warum komme ich immer zu spät? ….

Wenn Sie sich der Frage stellen – „Warum komme ich immer zu spät?“ - Und das Problem wirklich lösen wollen, entfachen Sie damit eine Gedankensturm in ihrem Gehirn. Das Wichtigste von dem, was dabei geschieht, habe ich Ihnen nachfolgend aufgeschrieben.

·         Ihr Gehirn will natürlich die Frage beantworten, weiß aber nicht wie. Deshalb antwortet es Ihnen mit einem flauen Gefühl.

·         Daraufhin treiben Sie das Gehirn an, sich an die schlimmsten Situationen zu erinnern. Das fällt leicht, weil dies emotional ereignisreiche Erinnerungen sind, die das flaue Gefühl verstärken, wenn sie im Bewusstsein erscheinen. Darunter vielleicht: Ladentüren bereits geschlossen. Tochter musste 45 Minuten vor der Schule warten. Besprechung im Büro musste eine Stunde ohne mich ablaufen, deshalb konnte ich keines meiner Ziele durchsetzen….

·         Während die Szenen vor Ihrem „geistigen Auge“ ablaufen, denken Sie immer intensiver an den ständig hinter jedem Ereignis aufblitzenden Bösewicht. – Der Akku (Autobatterie) Ihres Fahrzeuges, den Sie schon seit einem halben Jahr erneuern wollten.

·         Sie fassen sich an den Kopf und genießen den erlösenden Gedanken, der Sie mit einem wohligen Erfolgsgefühl begleitet: „Warum nur bin ich nicht gleich darauf gekommen?“

·         Kurz entschlossen fahren Sie zur Kraftfahrzeug-Werkstatt und lassen den Akku wechseln.

Jetzt können Sie sich ganz sicher vorstellen, wieviel tausend Denkstationen ihr Gehirn rasend durchlaufen musste, um zum Ziel zu kommen. Und jede einzelne Denkstation behandelte mindestens zwei bekannte Erinnerungen, die jetzt miteinander vernetzt sind. Damit werden Sie diesen Gedanken-Marathon nie mehr vergessen. – Es war eine simulierte Erfahrung.

Mit großer Wahrscheinlich werden sich diese Selbsterkenntnisse auch auf andere Nachlässigkeiten übertragen. Denn die Erkenntnis heißt hier nicht nur, der Akku war schuld, sondern „meine Nachlässigkeiten führten zu argen Problemen. – Aber nur dann, wenn Sie mit einer selbst gestellten Frage den beschriebenen Gedankensturm entfacht haben.

Ohne Gedankensturm verblassen alle guten Vorsätze ebenso, wie jene zu Silvester.

Das war für den Hausgebrauch. In einer Erkenntnis-Schule jedoch gibt es vier Problemquellen für simulierbar Gedankenstürme. Zuerst natürlich die Warum-Fragen der Schüler selbst, danach jene der Lehrer aus dem Unterricht heraus, als nächstes die Problemfragen in den Schulbüchern und zuletzt die Fragen der Eltern, wenn sie ihre Kinder fördern wollen.

Jetzt wird es spannend, denn die Fragen von Lehrern und Schulbüchern sind öffentlich. Sie sind also auch öffentlich zu beantworten, denn Lehrer müssen die Fortschritte ihrer Schüler kontrollieren.

Alle Fragen entstehen genau an dem Punkt, an dem ein Lehrer im Vortrag ein Problem schildert, abbricht und nach der Lösung dieses Problems fragt.

Beispiel: Freitag 31. Mai 2019

·         Lehrer Otto scheint heute gut gelaunt. Nach kurzem „Hallo“ wirft er seine Jacke schwungvoll über die Stuhllehne, schreitet zur Tafel und schreibt darauf mit großen Buchstaben das Wort „SOMMER“, dreht sich um und blickt erwartungsvoll in die Augen seiner Schüler.

·         Tia meldet sich: „Der Sommer beginnt erst am 21. Juni!“

·         Lehrer Otto: „Danke Tia, genau das wollte ich hören. Leider muss ich gleich zur Lehrer-Sonderkonferenz. Nach dieser Stunde habt ihr frei. Bis dahin könnt Ihr euch schon mit eurer Hausaufgabe beschäftigen.“

·         Lehrer Otto: „Warum gilt gerade der 21. Juni in jedem Jahr als Sommeranfang? Schreibt bitte stichwortartig auf, was ihr herausfindet und vergesst nicht Kritik oder Vorschläge hinzuzufügen, die mit diesem Tag zusammenhängen.“

Alle Schüler können schon einmal ohne Lehrer darüber diskutieren und sich mit den ersten Ideen von anderen anfreunden. Danach werden sie ihre Eltern mit Warum-Fragen nerven und/oder im Web nach weiteren Gedanken zum 21. Juni forschen.

Hat Lehrer Otto hier seine Schüler mit einem Problem allein gelassen, oder gibt er ihnen Gelegenheit, sich damit zu beschäftigen? – Eindeutig letzteres und mehr, denn er wird in der nächsten Schulstunde mit der Klasse den 21. Juni aus vielen Perspektiven heraus diskutieren. Perspektiven, die ihm seine Schüler in die Erkenntnis-Schule mitbringen. Mitbringen, weil sie ihren persönlichen Ehrgeiz in die „Forschungsaufgabe“ legen können, um in der Diskussion mit außergewöhnlichen Ergebnissen zu glänzen.

Der 21. Juni jedoch wird mit allen behandelten Fassetten bei jedem Schüler zu etwa 50 Prozent lebenslang abfragbar erhalten bleiben. Denn Alle behandelten Fakten verbinden sich untereinander zu einem stabilen Netzwerk auch zu vielen anderen Themen. – Ein simuliertes Erlebnis für jeden Schüler.

„Zu schön um wahr zu sein“, werden Sie jetzt vielleicht denken. „Vor der Aufgabe wird sich mindestens die Hälfte der Klasse drücken und die Stichwörter von anderen abschreiben!“

Ja, damit haben Sie aus heutiger Sicht Recht, denn Lehrer werden heute noch von der Menge an Schulpflichtstoff erdrückt. Schulpflichtstoff, der nur zu einem einzigen Prozent nach der Schulzeit wieder abrufbar ist. So Thomas Städler im Untertitel „Alles nur Theater“.

Wenn der eingepaukte Schulpflichtstoff nur zu einem Prozent hängenbleibt und dabei frustrierte Schulabgänger hinterlässt, die ohne Zwang nie mehr eine Unterrichtsstunde besuchen werden, dann könnte man die Schule auch ganz streichen.

Ein simuliertes Erlebnis dagegen verankert sich mit vielen Gedankenbrücken in den Schülergehirnen. Je mehr solcher Erlebnisse sich im Gehirn ausbreiten, desto intelligenter wird es in allen Lebenslagen reagieren können.

Schließlich entstehen beim Pauken meist nur einsame Wissenspixel, die zu 99 Prozent nicht mehr im Bewusstsein erscheinen, weil sie kaum vernetzt sind, während simulierte Erlebnisse zu echten Erkenntnissen führen, die ein Leben lang halten.

Wissenspixel sterben aber nicht nur im Gehirn, sondern auch in der rauen Wirklichkeit. Wer 2010 noch eine Kreuzfahrt auf der Costa Concordia buchen konnte, muss dieses stolze Schiff heute in Einzelteile zerlegt auf Schrottplätzen suchen, denn am 13. Januar 2013 kollidierte es vor der Insel Giglio mit einem Felsen.

Im Untertitel „Erkenntnis-Beispiele" fanden Sie bereits ein Diagramm, das den Verfall des Wissens aus verschiedenen Schularten darstellt. Danach ist Schulwissen nach 20 Jahren nur noch zur Hälfte wahr, während EDV-Fachwissen nach 10 Jahren völlig unbrauchbar ist.

Die Grundrechnungsarten aber bleiben ebenso ein Leben lang aktuell wie die simulierten Erkenntnisse rund um den kalendarischen Sommeranfang am 21 Juni.

Die Erkenntnis-Schule muss auch nicht schlagartig entstehen. Anfänglich gäbe es in den Fächern Physik oder Mathematik beste Voraussetzungen, weil auch die Lehrer heute schon versuchen, Erkenntnisse abzuleiten.

Allerdings dürfen Lehrer nicht alle Ableitungen bis zum Ende vorführen, sondern müssen innehalten, um den Schülern Gelegenheit zu geben, Ergebnisse selbst zu finden. Nur dann bleiben die lebenslangen Erkenntnisse bestehen.

Lehrer behaupten immer wieder: „Schule ist notwendig, um notwendiges Allgemeinwissen zu werben. Das gilt heute nicht mehr. Denn Internet und Co. bietet uns gezielt abrufbares Wissen in Echtzeit. Wenn ich mit Menschen locker spreche, verfalle ich schnell der Versuchung, allgemeine Themen anzusprechen, um mehr zu erfahren oder Meinungen darüber zu hören. Doch selbst in akademischen Kreisen stieß ich immer dann auf Ablehnung, wenn es keine tagesaktuellen Themen waren. – Offenbar schaffen auch Gymnasien kein brauchbares Allgemeinwissen.

Mit entsorgten Lern-Tretmühlen und forschungsähnlichen Aufgaben mutiert die Lernschule zu einer Erkenntnis-Schule. Sie prägt aus Kindern nicht nur selbständig denkende Aufsteiger, sondern kann ihnen dauernde Anerkennung für ihre Denkleistungen zollen.

Allein die Möglichkeit, ihre einzigartigen Lösungen vorzustellen und mit anderen diskutieren zu können verschafft endlose Anerkennung. Und diese Anerkennung strahlt auf Nachzügler aus, die vielleicht noch nicht so weit sind.

Lehrer aber werden viel Zeit erhalten, um sich mit Nachzüglern zu befassen. Und sie werden erfolgreich sein, denn wenn ein Nachzügler einmal seine einzigartige Lösung vorstellen darf, wird er der Sucht nach Anerkennung erliegen und nie mehr davon lassen wollen. Diese Sucht endet auch nicht an der Pforte eines Schulfaches, sondern erfasst alle Fächer. Genauso, wie es vielen Wissenschaftlern erging, die nach einer Initialzündung ein Leben lang neues erfahren und verbessern mussten.

„Aber“, wollen Sie jetzt vielleicht einwenden, „das praktizieren viele Lehrer doch schon im Projektunterricht!“ ‒ Natürlich, und sogar schon seit Jahrzehnten. Leider ohne bessere Ergebnisse. Denn, wenn der Projektunterricht nur als zusätzliches Unterrichtsmittel besteht, ohne dass wesentliche Lernfraktionen dafür entfallen, dann belastet er Schüler sowie Lehrer zusätzlich. Überdies tragen Projektbeteiligte meist unterschiedliche Bausteine eines Projektes zusammen, sodass keine Diskussion über den besten oder ertragreichsten Weg zustande kommt.

Zudem wirkt Anerkennung als Triebfeder für ertragreiche Leistungen nur auf einzelne. Deshalb gehört auch Kunstunterricht zu den beliebtesten Fächern. Gruppenlob dagegen erzeugt ebenso wie Gruppenschelte nur magere Motivationen. Außerdem verlassen sich in kleinen Teams immer viele auf andere nach dem Motto: TEAM = Toll, Ein Anderer Machts.

Der Nachteil herkömmlicher Hausaufgaben ist die Anonymität. Wenn Lehrer die Aufgaben überhaupt werten, dann meist nur als Ergebnisse, allenfalls noch Fehler korrigieren. Individuelle Lösungsbesprechungen bleiben selten. Damit schwindet die Anerkennung für häusliche Mühen fast gegen Null.

Natürlich ist der Weg bis dahin noch weit. Aber jedes Kind kann heute schon mit der Erkenntnis-Schule beginnen, wenn es kurzzeitig angeleitet wird. 

Sprung4

Kinder mit der Schule versöhnen

Rück-Link mit rechter Maustaste - Kinder mit der Schule versöhnen

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Schulprobleme wurden schon tausendfach in Ratgebern behandelt. Erwarten Sie dazu bitte keinen Abklatsch, denn dort steht zum Thema »Eltern reflektieren schlechte Noten ihrer Kinder« immer gleiches. Darunter: ermutigende Worte, keine Schelte, Schule ist nicht das Leben, Chancen aus schlechten Noten ergreifen, Unterstützung geben, Ziele nicht zu hoch setzen usw.

Auch bei den Ursachen herrscht fast ein Kanon unter den Schulpsychologen. Mangelndes Interesse, Überforderung, Unterforderung, familiäre Probleme, psychische Erkrankungen, Drogenmissbrauch, Mobbing, Probleme mit dem Lehrer, Prüfungsangst, Medienkonsum und vieles mehr.

Andere behaupten, dass nur fehlende Neugier daran schuld ist. Neugier, wie sie fast jedes Kleinkind entwickelt, wie sie aber viel zu oft in der Schule verschwindet und abgelöst wird von Lustlosigkeit, Schulverdrossenheit und intensivem Ablenkungssyndrom. Und dies, obwohl gerade im Unterricht reichlich aufregende Erkenntnisse warten. 

Sicher ist das alles hilfreich, doch lauert hinter all diesen Aussagen ein bisher zu wenig beachtetes Phänomen. Nämlich fehlende oder ungenügend empfundene Anerkennung. Anerkennung von Eltern, Lehrern und Mitschülern. Dazu gesellt sich oft noch Mobbing aus Cliquen attraktiverer Schüler, wie in »Charakteraufbau« und »Grenzenloses Mobbing« beschrieben. Überdies wird der Abwärtstrend noch übertroffen von sterbenden Zukunftsträumen als realisierte Folgen schlechter Noten.

Eltern infizierten uns ungewollt mit der Anerkennungsdroge. Schenkten uns sorgenfreie erste Lebensmonate mit bedingungsloser Zuneigung, die sich als Erinnerungen in unseren Gehirnen eingruben. Zwar erinnern wir uns nicht mehr bewusst, doch in allen ähnlichen Situationen spüren wir lebenslang die wohltuenden Emotionen aus dieser Zeit. Das geschieht immer dann wenn sich Menschen uns zuwenden.

Kinder leiden natürlich unter schrumpfenden Zuwendungen ihrer Eltern. Aber mit fortschreitendem Alter immer weniger. Dennoch suchen sie dauernd Ersatz in der Anerkennung von anderen Menschen oder auch Tieren. Zurückgewiesene oder ungenügend empfundene Anerkennung treibt Kinder zu Ablenkungshandlungen oder gar zu Depressionen, die mit Leistungsabfall in der Schule einhergehen.

Aussicht auf Anerkennung ist deshalb die meist einzig mögliche Motivation für bessere Schulleistungen. Aber nicht erst nach Wochen, oder zum nächsten Zeugnis, wie beim normalen Nachhilfeunterricht; sondern zur nächsten Unterrichtsstunde.

Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Deshalb müssen Sie mit Ihrem Kind sprechen und herausfinden, woher die schlechten Leistungen kommen. Keine Lust oder Desinteresse gilt es zu hinterfragen, was umso leichter ist, je mehr Ansehen Sie beim Kind genießen.

Ggf. sollten Sie einen Anerkennungskomplott mit seiner sozialen Umgebung schließen. Damit steigern Sie bei Ihrem Kind Ihre sowie die Anerkennung weiterer Personen, die Einfluss auf seine Schulleistungen haben. Denn Kinder lernen meist noch nicht für sich, sondern für jene Personen, denen sie vertrauten, die sie anerkennen oder gar verehren.

Bei vollem Vertrauen erhalten Sie alle notwendigen Informationen im Gespräch. Etwa 90 Prozent der ermittelten Ursachen lassen sich mit gesteigerter schulischer Anerkennung beheben. Dazu muss das Kind jedoch seine Lage begreifen und die nachfolgend erläuterten Aktionen aktiv annehmen.

Eine solche Aktion besteht aus gemeinsamem aufarbeiten des Stoffes für die nächste Unterrichtsstunde. Dazu lesen Sie ebenso wie Ihr Kind zunächst den Stoff im Lehrbuch und besprechen ihn miteinander. Achten Sie besonders auf Unstimmigkeiten sowie schwer verstehbare Passagen. Bei Fragen nach dem Warum recherchieren Sie gemeinsam nach Hintergründen oder besser nach Erkenntnissen aus der höheren Instanz wie in »Erkenntnis-Beispiele« geschrieben steht. Beispielsweise Wortbedeutungen in Sprachen, Ableitungen für mathematische Formeln oder deren Darstellung in möglichst interaktiven  Diagrammen, wie hinter diesem Link www.emath.de/Lernsoftware kostenfrei herunter zu laden.

·         Wenn Sie selbst keine Zeit haben, kann das auch jeder Nachhilfelehrer, dem Sie diesen Untertitel zu lesen geben. Doch vorsichtig. Wenn Nachhilfelehrer zu lange den bisherigen Nachhilfe-Schultrott praktiziert haben, könnte es Schwierigkeiten geben. Auch sieht keine Nachhilfelehrer es gern, wenn Schüler nach kurzer Zeit flügge werden und alleine die Schule meistern.

·         Vergewissern Sie sich deshalb ausführlich beim Nachhilfelehrer, ob er sich in der Lage fühlt, den Erkenntnisunterricht zu erteilen.

So vorbereitet, kann fast jeder Schüler den Stoff der nächsten Unterrichtsstunde gedanklich durchdringen und dem Unterricht aufgeschlossen folgen. Schon damit hebt sich der Anerkennungsspiegel beträchtlich. Wenn es dann dem Lehrer noch Fragen stellen kann und dafür Lob empfängt, steht dem Aufstieg in die erste Liga nur noch wenig entgegen.

Erste Symptome der Besserung erkennen sie an der gesteigerten Neugier. An offenen Fragen bei vielen Gelegenheiten, die Sie ausführlich lobend und ggf. mit gemeinsamem Recherchieren beantworten sollten. Fragen, die sie vor den Aktionen immer seltener hörten. Denn Neugier ist nicht angeboren, wie viele behaupten, sondern entsteht nur dann, wenn hinter Unbekanntem eine Belohnung lauern könnte. Früher waren es vielleicht Gummibärchen, im Schulalter müssen Gummibärchen mutieren. Und zwar zur Aussicht auf neue Erkenntnisse mit der daraus erwarteten Anerkennung.

Fragen zu stellen und auch selbst zu beantworten ist der »Overdrive« für alle sich entwickelnden Kompetenzen. Schade nur, dass solche Fragen heute mehr und mehr verschwinden, wie Sie unter »Offene Fragen« nachlesen können. Doch Fragenabstinenz ist nicht nur schade, sondern letztlich der Overkill für alle Kompetenzen, der in eine Bildungskatastrophe einmünden muss. 

Wenn Ihr Kind noch keinen eigenen Computer bedienen kann, so sollten Sie dieses Bildungshemmnis möglichst beenden. Selbst dann, wenn die Gefahr besteht, dass gespielt wird. Denn solche oder ähnliche Ablenkungen sind nur ganz selten Schuld am Schulversagen. Vielmehr folgen sie meist nur der erwähnten fehlenden Anerkennung, oft auch gepaart mit einer sich ausbreitenden Perspektivlosigkeit nach gestorbenen Zukunftsträumen.

Ganz sicher haben alle berühmten Wissenschaftler sich ähnlich für Schule, Studium, Vorträge und bei besonderen Herausforderungen motiviert. Mit wachsender Routine verringern sich die Zusatzzeiten, bis Erkenntnis-Denken zur Gewohnheit geworden ist. Es ist Perpetuum Mobile für wachsende Kompetenz.

Vor der Aktion empfehle ich, den Titel »Wie wir denken« zu wiederholen. 

Sprung5

Erkenntnis-Schule in der Praxis

Rück-Link mit rechter Maustaste - Erkenntnis-Schule in der Praxis

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

So lernen die Erkenntnis-Schüler, selbstständig Probleme zu lösen. Genießen jede Unterrichtsstunde in der ihre Lösungen öffentlich besprochen und vom Lehrer sowie der Klassengemeinschaft korrigiert werden. Und niemand braucht sich für Fehlschritte zu schämen, denn gerade sie enthalten oft jene Essenzen, aus denen trefflichste Erkenntnisse wachsen können. Voraussetzung ist allerdings, dass alle den Stoff gedanklich selbstständig durchdringen. 

Dafür allerdings sind die Lösungswege der erwähnten Forschungsaufgaben zu protokollieren. Eine Leistung, die bei allen Arbeiten mit gedanklichem Hintergrund notwendig ist. Selbst Elektriker auf der Baustelle müssen heute alle eingebauten Steckdosen, Leuchten, Relais, Aktoren oder Konverter festhalten, um abrechnen und nachbestellen zu können. Damit sind Elektriker in guter Gesellschaft mit Finanzbeamten, Journalisten, Ingenieuren und Wissenschaftlern.

Zusätzlich kann jede Protokoll-Leistung auch für den Spracherwerb genutzt werden. Denn sie lässt sich beispielsweise in Stichworten, als Matrix, als Prosa in Deutscher oder englischer Sprache erstellen. Viele Möglichkeiten, die ebenso wie das fachliche Ergebnis gemeinsam diskutiert und bewertet werden können. ‒ Damit verfügt jeder Lehrer über ausreichende Kontrollmittel, um zu beurteilen, ob die Aufgaben wirklich selbstständig erledigt wurden.

Und jeder wird mitkommen, denn mit jeder neuen Aufgabe beginnt die Jagd nach Erkenntnissen von neuem. Zwar werden jene Schüler, die bereits viele Aufgaben erfolgreich gelöst haben, schneller ans Ziel kommen, doch Nachzügler brauchen lediglich mehr Zeit, um ebenso erfolgreich zu sein. Versäumter Lernstoff türmt sich nicht zu schier unüberwindlichen Nachhol-Bergen, die nur mit großen Schmerzen zu bezwingen sind.

Nur so lässt sich Chancengleichheit realisieren. Deshalb wird in der Erkenntnis-Schule auch Chancengleichheit kein Problem mehr sein.

Nicht mehr Klausuren, Prüfungen und stupides schmerzhaftes Pauken, sind die Widersacher, sondern die Durchdringung des Stoffes mit den eigenen Fähigkeiten. Eine ganz andere Lernwelt, die aus gequälten Büffelknechten  aufrechte weltoffene Hoffnungsträger formen kann und wird.

Doch diese Kompetenzen lassen sich nicht mehr einfach abfragen, sondern müssen aus kleinen Forschungsarbeiten heraus beurteilt werden. Und zwar ähnlich wie Abschlüsse in Hochschulen sein sollten. Dafür gelangen dann keine wandelnden Datenbanken mehr in die Berufsbildung, sondern selbstsichere junge Menschen mit Interventions-Kompetenz, die sich in allen Situationen zurechtfinden. Sie könnten bereits aus dem Stand viele Berufe nach kurzer Einlernzeit ausfüllen. Und Studienanforderungen erfüllt die Erkenntnis-Schule in jeder Leistungs-Stufe, denn ihre Absolventen beherrschen alle die Interventions-Kompetenz. 

Interventions-Kompetenz ist die Fähigkeit, eigene Kompetenzen selbstständig aufzubauen. Ich habe sie in »Ausverkauf der Kompetenzen« als deren Krone herausgestellt. Leider gibt es heute auch unter Wissenschaftlern nur wenige mit diesen Fähigkeiten, weil heute weder Schule noch Berufsbildung die Interventions-Kompetenz so fördern kann, wie die Erkenntnis-Schule. Deshalb können wir heute nur auf Ausnahmeerscheinungen warten, wie der nachfolgende Aufstieg zeigt.

Professor Henry Markram, Initiator und Koordinator des größten europäischen Hirnforschungsprojektes, war Legastheniker. Doch dann kam ein neuer Lateinlehrer, der für Henry die Sprache zum Leuchten brachte, erinnert sich Markram. „Zum ersten Mal entdeckte ich das intellektuelle Vergnügen, Zusammenhänge herstellen und mir eine neue Welt erschließen zu können“. Es war, als ob »ein Schalter umgelegt« wurde. Henry schoss plötzlich in allen Fächern an die Spitze (Auszug aus »Die Demokratie der Neuronen« auf www.zeit.de/2009/21/PD-Markram/komplettansicht). ‒ Das war zweifelsfrei eine Initialzündung, das Aha-Erlebnis zum »Denken in Erkenntnissen«

Einzig der Interpretation von Henry Markram kann ich nicht folgen: „Zum ersten Mal entdeckte ich das intellektuelle Vergnügen …“ ‒ Ein intellektuelles Vergnügen existiert nicht, es gibt nur die dahinter erhoffte Belohnung in Form von persönlicher Anerkennung, was natürlich niemand zugibt. Doch schon diese erwartete Anerkennung treibt Menschen zum Äußersten. Jesus Christus sogar in den anerkanntesten Tod der Menschheitsgeschichte. Andere nennen es »Unsterblichkeit«.

Ein der Erkenntnis-Schule ähnliches Modell fördert die Zeppelin Universität in Friedrichshafen am Bodensee. Stephan Jansen, Präsident bis 2014, begrüßte neue Studenten etwa so: „Als erstes müsst ihr die Droge wechseln. Weg vom »Pauken«, hin zur Neugier. Wir brauchen keine wandelnden Datenbanken. Nur wenn ihr euch wie Sokrates und Descartes auf eure Zweifel konzentriert, werdet ihr dereinst besser sein als eure Lehrer!“ (Frei gestaltet nach FOCUS 16/2013 »Der Drogen-Berater«)

Ein offenbar sehr erfolgreiches Konzept, denn die Zeppelin Universität belegt vordere Rankings und verlangt 3.500 bis 5.000 Euro Studiengebühren pro Semester. ‒ Aber mit »Neugier« lässt sich niemand motivieren. Schließlich entsteht Neugier nur im eigenen Gehirn. Und das auch nur dann, wenn hinter Unbekanntem mindestens aufwandsgerechte Belohnungen warten. Hier ist es auch eine Droge namens »Anerkennung«. Siehe dazu auch »Von der Anerkennung«.

Dennoch schade, dass in der Zeppelin Universität in dieser Form keine Mint-Fächer (Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften) gelehrt werden, sondern (nur) Wirtschafts- Kommunikations- und Sozialwissenschaften im weitesten Sinne. Und natürlich auch schade, dass offenbar nur eine von knapp 400 Hochschulen in Deutschland diesen Weg geht.

Denn Ingenieure und Naturwissenschaftler gehören zu den kompetentesten Hoffnungsträgern zur Beseitigung der kollektiven Inkompetenz. Mit der Interventions-Kompetenz aller Ingenieure kämen wir diesem Ziel schnell näher. Dagegen bilden Hochschulabsolventen aus den Nicht-Mint-Fächern (z.B. Jura, Psychologie, Medizin usw.) verstärkt Abwehrstrategien gegen aufstiegswillige Friedliche. Ingenieure dagegen stammen meist aus der Friedlichegruppe. Deshalb sind sie heute schon weitgehend aus öffentlichen Führungsgremien verschwunden. Im 16. Bundestag beispielsweise sitzen nur 20 (3%) Ingenieure und Naturwissenschaftler, während 143 Juristen sich mit 23 Prozent Präsenz ausbreiten. Dagegen gibt es in Deutschland (nur) etwa 250.000 beruflich tätige Juristen, dafür aber über 1.600.000 Ingenieure, die den technischen Fortschritt in Deutschland vorantreiben.

Sicher werden sich viele Bildungspolitiker, ‒Experten und –Wissenschaftler schützend vor die althergebrachte, über 200 Jahre alte Lernschule stellen. Denn sie hat uns schließlich bis hier gebracht. Hat Deutschland zu einer führenden Industrienation aufsteigen lassen und allgemeinen Wohlstand verbreitet.  

Aber sie hat auch Millionen Zukunfts-Perspektiven mit »Lernfolter«, Schülermobbing und ungerechter Auslese gestohlen und damit die kollektive Inkompetenz mit all ihren Gefahren heraufbeschworen. Auch Chancengleichheit ließ sich mit der Lernschule nicht verwirklichen. Deshalb ist die Motivation für Fleiß und Entbehrungen besonders bei der Jugend erschöpft, was besonders jene Pisa-Ergebnisse herausstreichen, denn dort agiert unser Nachwuchs nur im Mittelmaß.

Unter Schülermobbing verstehe ich die Unterdrückung schwächerer durch stärkere oder attraktivere Schüler, die als spätere Wichtigtuer fast alle Karriereleitern besetzten. So wie in »Charakteraufbau« beschrieben.

Wenn wir unseren Wohlstand behalten wollen, müssen wir neue Wege gehen. Die Erkenntnis-Schule ist ein evolutionärer Weg, dessen Grundlagen auf erkannte Gehirnfunktionen zurückführen. Dem folgend, ist persönliche Anerkennung die dominierende emotionale Kraft unseres sozialen Lebens, die alle Sozialsysteme treibt. Allein aus solchen oder ähnlichen Erkenntnisse dürfen neue Schulsysteme entstehen, um mit Chancengleichheit wirklichen Nutzen für jeden einzelnen sowie der Gesellschaft zu bringen. Siehe dazu auch »Von der Anerkennung«.

Twitter, Facebook & Co. haben sich fast ausschließlich der persönlichen Anerkennung verschrieben. Ihre Byte-Maschinen beglücken jeden einzelnen mit Anerkennungsorgien und fesseln täglich Milliarden Menschen mit meist sinnfreier Einfalt an die Bildschirme. Überlassen wir ihnen nicht allein das Feld, denn diese Art, Anerkennung zu missbrauchen, führt heute schon zu höchstgradiger kollektiver Inkompetenz.

 

Doch scheint die Erkenntnis-Schule nicht das einzige Modell dieser Art zu sein, denn seit dem Pisa-Schock gewinnt das sogenannte Kompetenz-Modell immer mehr Raum. Ein beinahe weltweites Phänomen, das Lehrer, Schulbehörden und Wissenschaftler schon jahrelang in Atem hält. 

Sprung6

Offizielles Kompetenz-Modell

Rück-Link mit rechter Maustaste - Offizielles Kompetenz-Modell

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Seit der ersten Pisa-Studie im Jahr 2000 verbreitete sich auch in Deutschland ein neues Lehr- und Lernmodell. Es soll den Schulbetrieb auf der Grundlage von Kompetenzen neu gestalten. Dieses sogenannte Kompetenz-Modell entstand ebenfalls auf Initiative der OECD gemeinsam mit der Pisa-Studie. Viele Staaten haben das Modell besonders wegen erwarteter besserer Pisa-Ergebnisse adoptiert und entwickeln es für ihre Ansprüche weiter.

Die Prämissen des Kompetenz-Modells lesen sich vielversprechend, wie nachfolgend zu erkennen. Allerdings sind sie recht abstrakt.

1.    Die zwischenzeitlich auf über 600 Schlüsselqualifikationen angewachsene pädagogische Aufgabenflut bekommt mit den Kompetenzbegriffen neue Etiketten.

2.    Handlungskompetenz soll nicht mehr aus Wissen, sondern aus Fach-, Selbst-, Methoden-, und Sozialkompetenzen entstehen.

3.    Lernen in der bisherigen passiven Weise soll entfallen. An seine Stelle tritt jetzt ein aktiver, selbstgesteuerter kommunikativer Prozess.

4.    Anstelle der Ziel-Definition tritt eine Prozessuale Betrachtungsweise, sodass Selbstbefähigung und Eigenverantwortung an Bedeutung gewinnen.

5.    Schulentwicklung wird an die Entwicklung der Einzelschule gekoppelt. Das Kompetenz-Modell lässt unterschiedliche Schwerpunktsetzungen zu – vorausgesetzt, es finden schulinterne Abstimmungsprozesse statt, die zu konkretem schulischen Handeln führen.

6.    Es kann auf alle Akteure des Unterrichtsprozesses bezogen zu werden, also sowohl auf Schüler als auch auf Lehrer.

Diese Prämissen stammen vornehmlich aus der Schrift »Zum Kompetenz-Modell«. Sie finden sie auf dem deutschen Bildungsserver unter »www.bildungsserver-mv.de/download/material/text-lehmann-nieke.pdf«. Als Autoren zeichneten Wolfgang Nieke und Gabriele Lehmann. Prof. Dr. paed. Habil. Nieke forscht an der UNI Rostock zu interkultureller Erziehung und Identitätsbildung.

Kritik zum Kompetenz-Modell trägt gebündelt die GBW (Gesellschaft für Bildung und Wissen). Auch Professor Liessmann von der UNI Wien engagiert sich intensiv. Betrachten Sie die nachfolgenden Argumente als Essenzen aus verschiedenen Schriften.

Meinen Kommentar dazu erhalten Sie anschließend.

7.    Die etwa 30 Kernkompetenzen, die sich Lehrer und später auch Schüler aneignen sollen, widersprechen sich in ihrer Komplexität. Darunter Innovationskompetenz, Reflexionskompetenz, Prüfungskompetenz, Durchhaltevermögen oder gar Kompetenzorientierungskompetenz: „Das letzte war kein Scherz“, so Professor Liessmann, „die Aneignung von Fachkompetenzen nehme nur noch einen erschreckend niedrigen Stellenwert ein“.

8.    Der aus dem Kompetenz-Modell entwickelte schweizerische »Lehrplan 21« soll 4.500 Kompetenzen nur für Grundschüler aufzählen. Hier spricht Professor Liessmann sogar von Kompetenzfetischismus, dem Eltern kaum noch folgen können. So soll offenbar der Dialog zwischen Eltern und Lehrer unterbunden werden.

9.    Der Pädagogikprofessor Peter Euler von der TU Darmstadt sieht eine Unterwerfung der Schule an ökonomische Verwertungsbedingungen. Spricht von Fassadenkompetenz und der Zukunftskompetenz: Inkompetenz kompetent zu kompensieren.

10.  Das Lernen des Lernens soll damit zwar Lernen sein, aber keinen Inhalt mehr haben (Peter Euler).

11.  Allgemein wird die Kompetenzorientierung als Vehikel verstanden, das nach neurowissenschaftlichem Vorbild der Pädagogik aktionistisch populären Auftrieb geben soll. 

Ich hoffe, Sie konnten sich ein unabhängiges Lagebild schneidern. Ich erkenne aus der Pro-Gruppe (1-6) funktionelle und sprachliche Abgehobenheit, um allgemeines Verstehen zu untergraben. Die Kontra-Gruppe (7-11) dagegen stellt mehr Populismus voran, um dem bisherigen Schulsystem seinen gesellschaftlichen Platz zu erhalten. Insgesamt scheint die Pro-Gruppe (1-6) argumentativ vorn zu liegen.

Leider enthalten die Argumente 1 bis 6 auch nur altes in neuer Form. Derartige Pseudoreformen erlebten wir schon oft. Hier meine Wertung:

12.  Zu 2: Kompetenzen entstanden schon immer, wenn Wissen in einem Handlungsrahmen aufgeht. Und es waren schon immer Fach- und Handlungs-Kompetenzen. Handlungs-Kompetenzen wie darstellen, argumentieren, modellieren oder kommunizieren gehörten stets zu jeder Fachkompetenz ‒ also nichts Neues.

13.  Zu 3: Dass lernen in der bisherigen passiven Art entfallen soll, entspricht der Erkenntnis-Schule, doch fehlt der Ersatz, denn nur die schon immer vorhandenen Handlungskompetenzen hinzuzunehmen, ist kein Ersatz – deshalb muss wohl weiter gebüffelt werden, worauf auch die 4.500 Kompetenzen im Lehrplan 21 (zu 8) hinweisen.

14.  Zu 4: Prozessuale Betrachtungsweisen anstelle von Zieldefinitionen erscheint wie blanker Unsinn, denn Ziele und Prozesse schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander. Der Prozess führt zum Ziel. ‒ Was Selbstbefähigung und Eigenverantwortung damit zu tun haben erschließt sich auch nicht aus den gesamten Schriften zum »Kompetenz-Modell«.

15.  Zu 5: Das Schulentwicklungen mit der Einzelschule harmonieren müssen, ist ein Selbstgänger. Allein der Ausdruck »Abstimmungsprozess« anstelle der »Abstimmung« offenbart mehr aus der Denkwerkstadt für das Thema, als die Bedeutung der Schriften. ‒ Dieser VKF (Verkomplizierungs-Fimmel) zieht sich nicht nur durch diese Schrift, sondern auch durch die etwa 1.000 Seiten der aus den Kompetenzen abgeleiteten Bildungsstandards der KMK (Kultus-Minister-Konferenz, www.kmk.org).

16.  Zu 7 bis 11: Hier reicht es wie schon gesagt, dass alle Argumente der Kompetenz-Gegner den Status quo besiegeln wollen. Leider hat der uns zur heutigen Situation geführt und kann deshalb nicht unser Wunschziel sein.

Das Kompetenz-Modell zeigt nur das konventionelle Lern-Modell in neuem Gewand, wie aus den erwähnten 1.000-seitigen Bildungsstandards hervorgeht. In den etwa 16 Jahren seiner Existenz hat es zwar viel Verwirrung in Schulverwaltungen und bei den Lehrer gestiftet, aber keine Verbesserung der Pisa-Ergebnisse. Und dies, obwohl es ebenso wie Pisa von der OECD inszeniert wurde. Die verbesserten Ränge deutscher Schüler sind lediglich auf den allgemeinen Verschlechterungs-Trend, nicht jedoch auf Verbesserung der Leistungen deutscher Schüler zurückzuführen.

 

Überdies ist Pisa umstritten. Jeder Vergleich mit ostasiatischen Schulen muss irreführend sein, denn dort werden Kinder wirklich mit allen Mitteln gedrillt. Eine Tortur, die ich keinem europäischen Kind wünsche.

Sprung7

Lebenslanges Lernen?

Rück-Link mit rechter Maustaste - Lebenslanges Lernen?

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Lebenslang lernen klingt beängstigend. Denn dahinter stehen Wichtigtuer, die uns zu einer unentwegt büffelnden Gemeinschaft erziehen wollen. Doch was ist dran? Müssen wir wirklich ein Leben lang Schulbänke drücken und vokabelähnliche Fakten pauken?

Lernen ist auch im Alter leicht. Schwierig ist nur, den alten Wissensschrott zu vergessen, denn der wabert im Gehirn und führt auf Abstellgleise.

Geboren ist die Wissensgesellschaft aus der Erkenntnis, dass Wissen heute immer schneller stirbt. So soll sogar Universitätswissen nur ganze 5,5 Jahre (UNESCO-Studie 1998) aktuell sein. Allerdings ließ sich die Herkunft dieser Behauptung nicht prüfen. Dafür publizierte Christiane Prange in ihrem Buch »Organisationales Lernen und Wissensmanagement« in Abbildung 8, dass technologisches Fachwissen nach durchschnittlich 5 Jahren nicht mehr gültig ist, was mir immer noch zu kurzlebig erschien.

Andere Quellen sprechen von Halbwertzeiten, so wie sie bei Radioaktivitäten ermittelt werden. Danach soll Technologie-Wissen eine Halbwertzeit von 3 Jahren aufweisen. Das heißt, die Hälfte des Wissens ist nach 3 Jahren unbrauchbar, vollständig veraltet aber erst nach etwa 14 Jahren. Universitätswissen dagegen wartet mit durchschnittlich 10 Jahren Halbwertzeit auf. Sie stammen aus dem Aufsatz »Anforderungen an didaktische Modelle« in dem Untertitel »Wissen veraltet – Wissen geht verloren«.

Damit wissen wir aber immer noch nicht, wie viel von dem gelernten Wissen es gilt, laufend nachzulernen, um auf dem Stand der Technik zu bleiben und von jugendlichen Aufsteigern nicht abgehängt zu werden. Vielleicht hilft die folgende Liste weiter: (Bitte nur lesen, wenn Sie sich mit Exponentialfunktionen auskennen. Das Ergebnis steht nach dem 3. Absatz)

1.       Bei einer Halbwertzeit von 3 Jahren für Technologie-Wissen ist genau nach dieser Zeit noch 50 Prozent des Wissens aktuell.

2.       Berufliche Spezialisierungen schränken das angewendete Wissen ein auf geschätzt 10 Prozent des Erlernten. Bleiben noch (0,5*0,1 = 0,05) 5 Prozent.

3.       Aus der Exponentialfunktion, die solche Ausgleichsprozesse analog zur Radioaktivität ausreichend beschreibt, ergibt sich ein jährlich notwendiger Wissensaufbau von 23,1 Prozent, um den Anfangsstand zu halten. Das sind für einen durchschnittlich spezialisierten Arbeitsplatz (23,1*0,1) 2,31 Prozent des Anfangswissens.

Ganze 2,3 Prozent jährlicher Wissensaufbau sind also notwendig, um den technologischen Wissensstand auf dem Anfangsniveau zu halten. So gesehen recht wenig, wo doch diese Anstrengungen fast ausschließlich während der Arbeitszeit erfolgen können. Bleibt für private Weiterbildung theoretisch kaum noch etwas übrig.

„Doch ist das alles? Rufen da nicht andere Unken die Verdoppelung des Menschheitswissens alle zwei Jahre aus? Stimmt das und wie sollen wir damit umgehen?“ könnten Sie jetzt sicher einwenden. ‒ Tatsächlich sie rufen. Nur besteht dieses Traumdenken hauptsächlich aus Irrtümern über das Mooresche Gesetzt.

Gordon Moore, Mitbegründer der Intel Corporation sprach schon 1975 davon, dass sich die Integrationsdichte von Schaltkreisen alle zwei Jahre verdoppelt. Das bedeutet: Speicherelemente in Computern können alle zwei Jahre doppelt so viele Daten speichern. Bisher haben sich seine Vorhersagen annähernd bestätigt.

Alle zwei Jahre vermehren sich also die gespeicherten Daten auf den Computern dieser Welt ungefähr um den Faktor 2. Weitergeführt, alle 4 Jahre auf das 4-fache, alle 8 Jahre 16-fach und alle 40 Jahre mit dem Faktor 1.048.576, gerundet 1 Million. Im Jahr 2020 sollen die Daten auf 40 Zettabytes angewachsen sein. Dies entspricht, so die Welt digital am 16.7.2013, nach Schätzungen von Forschern der 57-fachen Menge der Sandkörner aller Strände dieser Erde. 

Beeindruckende Zahlen. Doch was haben sie mit der Wissensmenge der Erdbevölkerung zu tun? ‒ Ich meine fast gar nichts, denn darunter befinden sich auch alle aus voluminösen automatischen Messungen hervorgehende Daten, wie beispielsweise wissenschaftliche Computersimulationen, Weltraumdaten und bestimmt auch Wetterdaten. Doch wer bitte will schon Wetterdaten auswendig lernen? Dazu würde sich bestenfalls die Google-Datenbank eignen.

Andere Quellen, wie Wikipedia, nennen 5 bis 12 Jahre als geschätzte Verdoppelungszeit. Allerdings entpuppen sich große Mengen an unbedingt wissenspflichtig gekennzeichnetem Lesestoff allzu oft als Wissensmüll. Selbst die Forschung befasst sich heute wortreich mit Nichtigkeiten, wie ich bei der Lektüre von Berichten aus der Neuroforschung in den letzten zwei Jahren feststellen konnte.

Deshalb schätze ich ganze 20 Jahre, für die wirkliche Verdoppelung des Wissens. Damit vermehrte sich das Weltwissen in den letzten 40 Jahren nur um den Faktor 4.

Der daraus entstehende Zwang zur Neuausrichtung vieler Aktivitäten verwirrt vor allem deshalb, weil gepriesene Neuerungen oft gar nicht neu sind, sondern lediglich mit neuem Design oder ausgetauschten Kleinigkeiten daherkommen. Dazu erscheinen bekannte Fakten meist in veränderter Form und Reihenfolge, sodass sie erst nach intensiver Sichtung als bekannt ermittelt werden können. Eine tugendarme Praxis, die viel unnötige Arbeit und intellektuelle Belastung nach sich zieht.   

Aber Unternehmen, Verwaltungen und besonders Regierungen erliegen dieser Werbung. Buchen Seminare für Mitarbeiter und Führungskräfte, lagern Entscheidungen aus an Berater oder Institute, um ihnen nach misslungenen Aktionen alle Schuld aufzubürden. 

Schon aus diesen Erkenntnissen heraus können wir der sogenannten Wissensgesellschaft gelassen entgegensehen. Und wenn wir dann noch in Funktionen denken können, kann uns kaum etwas passieren. 

Sprung8

Essenz und Ausblick

Rück-Link mit rechter Maustaste - Essenz und Ausblick

Aus dem Titel - Bildungsruinen entrümpeln

Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen

Zusammenfassend bietet sich an, eine Kurzwertung der Erkenntnis-Schule gegenüber dem Kompetenz-Modell vorzunehmen. Denn viele ähnlichen Begriffe werden Schulexperten zur Behauptung verführen: „Die Erkenntnis-Schule haben wir schon in Form des Kompetenz-Modells!“ ‒ Was natürliche nicht stimmt.

1.    Motivation kommt im Kompetenz-Modell nur randständig vor. Die kläglichen Versuche, aus den Handlungskompetenzen motivierende Wirkungen abzuleiten, kann ich nicht nachvollziehen. Dagegen basiert die Entwicklung der Erkenntnis-Schule ausdrücklich auf motivierende persönliche Anerkennung in jeder Lehrphase. Siehe »Lernen war gestern«

2.    Wie gelerntes in das Gedächtnis kommt, steht auch nicht im Kompetenz-Modell. Dagegen entwickelt sich die Erkenntnis-Schule aus den Gehirnfunktionen, der Analyse von Lernschmerzen sowie aus der Analogie von Erkenntnissen zu vorhandenen lebenslangen Gedächtnisfraktionen. Siehe auch »Wie wir denken und entscheiden«, »Warum lernen so weh tut« und »Erfahrungen simulieren«.

3.    Trotz exorbitant mehr Belastungen durch Handlungskompetenzen entlastet das Kompetenz-Modell nicht von entbehrlichen Wissensfraktionen, die später nur zu 1 Prozent abrufbar sind und im Leben kaum benötigt werden. Das geht aus den Bildungsstandards der KMK (Kultus-Minister-Konferenz) hervor, die in den Jahren 2003 bis 2012 bundesweit gültig wurden. Dagegen entlastet die Erkenntnis-Schule Schüler und Lehrer von etwa 70 Prozent überflüssigen Wissens zugunsten von intensiven Erkenntnissen, die automatisch alle sogenannten Handlungskompetenzen mit sich bringen.

4.    Zur Chancengleichheit sagen die KMK-Bildungsstandards nichts. Selbst dort wo sie zuerst hingehört, nämlich in den Deutschunterricht der Primarstufe (Klasse 1-4), steht nicht einmal das Wort »Chancengleichheit«. Dagegen richtet sich die Erkenntnis-Schule mit all ihren Fasern auf die Chancengleichheit aus. Siehe dazu ist »Erkenntnis-Schule in der Praxis«.

Diese vier Hauptpunkte qualifizieren die Erkenntnis-Schule dazu, Chancengleichheit endlich wahr werden zu lassen. Denn sie funktioniert. Das haben viele spätere Wissenschaftler bewiesen, die mit mittelmäßigen oder gar schlechten Noten begannen und aus einem Aha-Erlebnis heraus den Sprung in die geistige Elite schafften. Siehe dazu »Erkenntnis-Beispiele«.

Natürlich lässt sich die Erkenntnis-Schule so nicht direkt einführen. Dazu gehören umfangreiche Forschungen mit Schulversuchen, um den besten Weg auszuloten. Doch ist dies endlich ein wissenschaftlich hinterlegtes Konzept, dass begründete Aussicht auf Chancengleichheit verspricht und dazu noch der rechtswidrigen Vorfahrt von Wichtigtuern mit all ihren langzeitigen und akuten Folgen entgegentritt.

 

Letztlich stammen natürlich alle Kompetenzgräber aus der Politik, denn dort laufen die wissenschaftlichen und pädagogischen Leitfäden zusammen. Deshalb ist die Politik auch für deren Entsorgung verantwortlich, wie im kommenden Titel ausgeführt.

Sprung Kommentar

Inhaltsverzeichnis

Thema der vorigen Seite -  Wissenschaftliche Holzwege sanieren

Thema der folgenden Seite - Kompetenzgräber politisch entsorgen

Themen dieser Seite - Bildungsruinen entrümpeln

Warum lernen so weh tut?

Erfahrungen simulieren

Lernen war gestern

Kinder mit der Schule versöhnen

Erkenntnis-Schule in der Praxis

Offizielles Kompetenz-Modell

Lebenslanges Lernen?

Essenz und Ausblick

 

Gern antworte ich auf Ihre Fragen oder kommentiere Ihre Meinungen.

-      Mit einem kopierten Thema oder einem Textausschnitt führen

       Sie jeden direkt zur Quelle Ihrer Frage. Siehe Demo-Kommentar.

Kommentare: 1
  • #1

    Hans-J. Schubert (Mittwoch, 03 Juli 2019 17:38)

    Demo-Kommentar
    So kann der Gedankeninhalt eines Gehirns wachsen und bis ins hohe Alter reifen: Schützt das auch gegen Demenz und Alzheimer?