Richtig verhandeln
Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen
… bekam jeder Wichtigtuer offenbar in die Wiege gelegt. Doch wer sich als brillanter Verhandler bezeichnet, erliegt oft einem folgenschweren Irrtum.
Gewiefte Verhandler sind meist höfliche Menschen und geben jedem den sie »über den Tisch gezogen« haben das Gefühl, gewonnen zu haben. Folglich irren sich viele Wichtigtuer, wenn sie sich als hervorragende Verhandler präsentieren.
Auch in dieser Disziplin halfen mir keine Bücher mit ellenlangen Anweisungen. Vielversprechender erschienen mir die erwähnen Hörkassetten von Roger Dawson. Doch Anwendungs-Ideen zündeten anfangs immer erst nach den wichtigen Verhandlungen. Erst als ich lernte, jede Kommunikation als Test-Verhandlung zu begreifen kam der Erfolg.
Deshalb müssen Sie auch nicht extra üben, wie in den meisten Büchern über dieses Thema zu lesen steht. Schließlich besteht das ganze soziale Leben irgendwie aus Verhandlungen. Beginnend bereits am Frühstückstisch, wenn die Ehefrau fordert: „Heute ist Einkaufstag, komm also pünktlich nach Hause!“ Sie wollen sich drücken und entgegnen: „Es tut mir leid, aber die letzte Sitzung beginnt um 16 Uhr. Ich weiß nicht, ob wir die Sache bis 18 Uhr abschließen können.“ – „Okay, dann gehe ich eben alleine einkaufen, doch versprich mir, morgen die Kinder zur Schule zu fahren und den Rasen zu mähen.“ – Sie konnten sich zwar vor dem Einkaufen drücken, doch haben Sie jetzt die Fahrt zur Schule und den schon viel zu hoch gewachsenen Rasen am Hals. An dieser Stelle scheint aufgeben besser, denn die nächsten Gegenforderungen wären sicher noch drastischer.
So geht es den ganzen Tag lang. Jede Ansprache ist ein Versuch, den oder die Gesprächspartner zu Taten anzutreiben. Selbst wenn Sie eine Geschichte erzählen, müssen Sie die Zuhörer erst dazu bewegen, Ihnen Aufmerksamkeit zu schenken. – Die Oberhand in diesem Verhandlungsmarathon behalten immer jene, die die größere Anerkennung der anderen genießen.
Das braucht Sie nicht zu entmutigen, denn es auch die Teilanerkennung. Dem Pfarrer zum Beispiel werden wir kaum den Wunsch nach Aufmerksamkeit abschlagen, wenn es sich um Glaubensfragen handelt. Auf diesem Gebiet wirkt sein spezielles Ansehen. Doch wenn er in die Erziehung der Kinder reinreden will, sieht das schon anders aus. – Wenn Sie sich der täglich vielfach einstürmenden Verhandlungssituationen bewusst werden und die daraus entstehenden Ergebnisse kritisch werten, so reicht das allemal, um ihre Verhandlungskompetenz zu vervollkommnen – wenn Ihr Gehirn die entsprechenden Erkenntnisse aus der Praxis kristallisieren kann.
Mit gediegener Gesprächsführung lassen sich Anerkennungsdefizite ausgleichen. Gewiefte Verhandlungshasen borgen sich dafür sogar Anerkennung und erreichen damit auf Teilgebieten unbedingte Überlegenheit. Andere lenken in kritischen Situationen erfolgreich vom Verhandlungsobjekt ab, um nachzudenken. Wiederum andere schaffen Verhandlungsobjekte, die es gar nicht gibt, oder legen psychische Sprengbomben. – Die Varianten für erfolgreiches Verhandeln sind unbegrenzt.
Themen auf dieser Seite
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Verhandlungsgrundlagen
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Aus dem Titel - Richtig verhandeln
Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen
Wenn Medien von Verhandlungen berichten, dann sind es oft Tarifverhandlungen. Gewerkschaften wollen für ihre Mitglieder von den Arbeitgebern mehr Lohn herausholen. Meist beginnt die Berichterstattung, wenn beide Seiten ihre Forderungen bekanntgeben. Solche Forderungen liegen oft so weit auseinander, dass zunächst niemand an eine Einigung glauben kann. Da fordert die Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Dagegen bieten Arbeitgeber ganze 2 Prozent. Und keiner will dem anderen entgegenkommen. 14 Tage lang jagt eine Sitzung die nächste. Beide Seiten drohen mit Streik oder Aussperrung, beschimpfen sich öffentlich bis fast unter die Gürtellinie. Doch eines Tages gibt es eine lange Sitzung.
In den Frühnachrichten heißt es dann: „Gegen 5 Uhr verkündeten die Tarifpartner nach einer anstrengenden Nachtsitzung die Einigung. Beginnend mit dem ersten April erhalten alle Arbeitnehmer 4,5 Prozent mehr Lohn. Der Gewerkschaftsvorsitzende spricht von einem heroischen Durchbruch. Der Arbeitgebervertreter verkündet die erfolgreiche Abwehr des Angriffs auf die Grundfesten der Tarifhoheit.“
Wie kann das gehen? Keine Seite wollte auch nur einen Punkt nachgeben. Streik schien unabwendbar. Und plötzlich dieser scheinbar scheinheilige Frieden? War das Ganze nur Theater? Hatten die Verhandlungsgegner die Einigungszahl von Anfang an so verabredet? – Keiner wird es je erfahren. Denn die Verhandlungsführer beider Seiten sind Profis auf diesem Gebiet. Sie halten sich strikt an die Grundsätze aller Verhandlungen, die da heißen:
1. Fordere immer alles oder mindestens viel mehr als erwartet, aber lasse Verhandlungsbereitschaft durchblicken.
2. Es gibt keine Einigung, ohne dass beide Seiten gewinnen.
3. Akzeptiere keine Forderung, ohne eine Gegenforderung durchzusetzen.
Punkt 1 war bereits am Anfang mit den unglaublichen Forderungen beider Seiten erfüllt. Die Verhandlungsbereitschaft signalisierten die Gegner mit der Teilnahme an allen Sitzungen. Punkt 2 erfüllte sich durch das Ergebnis. Beide Seiten fühlten sich als Sieger und konnten das Ergebnis stolz ihren Unternehmen beziehungsweise den Lohnempfängern berichten. Die noch ausstehende Zustimmung der Gremien war jetzt nur noch Formsache. Beide Seiten erhielten die Gelegenheit, ihren Anerkennungsstatus zu untermauern.
Punkt 3 haben Sie sicher geahnt, nachdem die Ehefrau Ihnen die Schulfahrt mit den Kindern und den überfälligen Rasen aufgedrückt hatte. Im Tarifbeispiel habe ich Punkt 3 nicht erwähnt, denn jeder kennt die sogenannten Nebenabreden: längere Tariflaufzeit, Sockelbetrag als soziale Komponente für weniger Verdienende, Ausgleichszahlungen für die verspätete Tarifeinigung und so weiter. Es sind die kleinen Dinge, deren erfolgreiche Aushandlung gegenseitige Anerkennung und Vertrauen schaffen.
Danach versteht es sich von selbst, dass Sie als guter Verhandler niemals das erste Angebot annehmen, sondern immer das Gesicht verziehen mit der Bemerkung: „So teuer hatte ich es mir nicht vorgestellt! Ist das wirklich Ihr letztes Wort?“ Und Sie werden erleben, wie der Preis sinkt, wenn der Verhandlungspartner dazu berechtigt ist.
Sie erinnern sich bestimmt an das Thema »Zerbrechlich Liebe«. Menschen neigen dazu, wahre Gründe zu verschleiern und stattdessen keine zu nennen oder weniger brisante vorzuschieben. Häufig verhandeln Sie deshalb zum falschen Thema und werden überrascht, wenn es zum Schwur kommt. Solche Machenschaften lassen sich nur schwer aufdecken. Aber mitunter stolpert man darüber.
So bat ein Makler Roger Dawson um Rat: „Stellen Sie sich vor, wir sind in den Verhandlungen zu einem Grundstücksankauf für ein Einkaufszentrum nur noch 50.000 Dollar auseinander, doch der Inhaber will einfach nicht mehr verkaufen, scheint kein Interesse zu haben, lässt sich verleugnen. Helfen Sie uns bitte!“ Roger Dawson war etwas ärgerlich. „Sprechen Sie doch nicht über Geld, erzählen Sie mir von dem widerspenstigen Inhaber!“ Der Makler berichtete, dass der Inhaber bereits 85 Jahre alt ist und offenbar im Sterben liegt. „Nun“, entgegnete Roger Dawson, „der Mann ist mit Sicherheit nicht mehr an Geld interessiert. Doch wie wäre es mit einem Denkmal?“ Am Ende beteiligte sich der so unwillige Grundstücksbesitzer an dem Projekt sogar mit seinem Grundstück. Denn das Einkaufszentrum sollte seinen Namen tragen.
Wieder der doppelte Sieg. Darüber hinaus aber die Erkenntnis, dass es sehr oft nicht um das vordergründige Thema geht, sondern um ganz andere Dinge, nämlich die verdeckten Hintergründe. – Wenn der Taxifahrer sich höflich erkundigt, ob die Fahrt angenehm war, dann »winkt er nur mit dem Zaunpfahl« und hofft in Wirklichkeit auf ein Trinkgeld. – Versuchen Sie deshalb immer, so viel wie möglich über die Motive Ihrer Verhandlungsgegner zu erfahren.
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Die halbe Wahrheit
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Aus dem Titel - Richtig verhandeln
Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen
»Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge«. So ein Zitat aus den USA. ‒ Zwar kann eine halbe Wahrheit genauso viel und oft sogar schlimmeres anrichten als eine ganze Lüge, doch tatsächlich ist sie keine Lüge. Zu einer echten Lüge gehört nämlich das Abwägen zwischen eigenem Vorteil und dem Risiko, erwischt zu werden. Und dies gepaart mit dem unausweichlichem Zweifel und seinen emotionalen Folgen.
Die halbe Wahrheit besteht schließlich nur daraus, etwas wegzulassen. Weglassen von entscheidenden Informationen, um den Partner zur gewünschten falschen Entscheidung zu treiben. Und das völlig gefahrlos. Denn wer bitte kann „Vergessen“ anklagen?
Beispielsweise ein Personalchef, der unbedingt den vor ihm sitzenden Ingenieur einstellen möchte. Er wird die Entwicklungsabteilung artig loben, Aufstiegschancen erwähnen, aber den »Zusagekiller« verschweigen. Nämlich, dass die letzten beiden Spitzeningenieure gekündigt haben, weil sie unerträglich gemobbt wurden.
Dem Bewerber bleibt keine Chance, wenn er nicht zufällig jemanden aus der Entwicklungsabteilung gut kennt. Auch eine logische Prüfung fällt hier aus, denn es gibt keine Anhaltspunkte für derartige Überlegungen. Und Personalchefs sind meist gewiefte Akteure, die sicher schon andere Bewerber geopfert haben.
Diese Leichtigkeit mit der schon halbe Wahrheiten erfolgreich manipulieren können, verführt viele Zeitgenossen dazu, sie anzuwenden. Gefühlt sind Politiker hier unangefochtene Meister. Gefolgt von Managern, Wissenschaftlern, Experten, Werbefachleuten und Vorgesetzten. Nicht zu vergessen die meisten Handelsvertreter und selbstverständlich wir alle.
Mit der halben Wahrheit werden heute viel zu viele Verhandlungen zum Schaden der Betrogenen gewonnen. Denn sie verwirrt unsere Gedanken umso intensiver, je weniger Erkenntniskompetenz wir entwickelt haben. Doch kompetente Mitmenschen erkennen in jeder Nachrichtensendung zahlreiche irreführende Unterlassungen und können in Gesprächen durch mehrfaches Nachfragen beinahe jeden Gesprächspartner so verunsichern, dass er innerlich zur Vorsicht genötigt wird. ‒ Wie das funktioniert, besprechen wir im Titel »Denken in Erkenntnissen«.
Versuchen Sie es jetzt schon. Entdecken Sie im Rundfunk, im Fernsehen, in persönlichen Gesprächen sowie in dieser Schrift Halbe Wahrheiten ganz nebenbei. Wenn Sie das können, sind Sie bereits zu 50 Prozent ein guter Verhandler.
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Kleine Dinge führen zu großen
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Nicht selten fahren Verhandlungen fest. Es geht einfach nicht weiter, Gedanken und Argumente drehen sich im Kreis. Viele Menschen neigen dazu, in solchen Situationen einfach aufzugeben mit dem Hinweis: „Wenn wir uns in diesem wichtigen Punkt nicht einigen können, dann hat die ganze Verhandlung überhaupt keinen Sinn mehr.“
Urlaubsziele sind beliebte Streitpunkte. Sie freuen sich schon auf den Nordseestrand in Sankt Peter-Ording, Ihre Frau träumt von den Atlantikstränden um Teneriffa. Für beide Ziele lassen sich Dutzende von Argumenten hervorzaubern. Doch jedes Argument erhärtet die gegensätzlichen Positionen, sodass eine Einigung in weite Ferne rückt. Bevor es zum offenen Streit kommt, hören Sie Ihre Frau sagen: „Schatz, lass uns doch das Urlaubsziel erst einmal beiseitelegen. Zum Urlaub gibt es noch viel mehr zu besprechen. Was wünschen wir uns eigentlich?“ Und Sie beginnen, sich gegenseitig die kleinen Dinge vorzutragen, die den Urlaub erst zum Urlaub machen. Dabei gibt es dann viele Gemeinsamkeiten: Ruhe, Entspannung, ausgiebiges Frühstück, keine Termine, freie Wahl der Essenszeiten sowie auch Abende mit Freunden. – Am Ende stellen Sie fest, dass all diese kleinen Freuden am besten zu Hause genossen werden können.
Kleine Dinge führen zu großen. Denn es sind in jeder Verhandlung zunächst die scheinbaren Kleinigkeiten, die gegenseitiges Vertrauen und Anerkennung erst aufbauen. Danach gehen Verhandlungspartner auch eher auf die Ansichten des vermeintlichen Verhandlungsgegners ein. – „Doch“, werden Sie jetzt einwenden, „Anerkennung und Vertrauen sollte doch in einer Ehe vorhanden sein. Warum dann erst aufbauen?“ Auch hier gilt wieder das Prinzip der Teilanerkennung. Auf dem Fachgebiet der Urlaubsplanung haben Sie in diesem Beispiel Ihre Frau einfach nicht anerkannt und umgekehrt. Erst die Abstimmung über die Kleinigkeiten führte zur Anerkennung und zur Einsicht, dass Sie beide im Grunde dasselbe wollten.
Jimmy Carter 1978: Der Präsident lud die widerstrebenden Delegationen aus Israel und Ägypten ein. Tagungsort war Camp David, sein Ferienrefugium. Die Gegensätze konnten nicht größer sein. Israel bestand auf Annexion der im Sechstagekrieg 1967 eroberten Sinaihalbinsel etwa mit den Worten: „Auf Sinai befinden sich unsere einzigen Ölquellen, wir werden diese Halbinsel niemals mehr herausgeben!“ Dagegen verweigerte Ägypten zunächst jegliche Verhandlungen, ohne dass die Sinaihalbinsel von den Israelis geräumt wird. – Doch Jimmy Carter bestand auf Verhandlungen nach dem Motto: „Lasst uns erst einmal miteinander sprechen.“ – Und das unmöglich geglaubte wurde wahr. Schon am 17. September 1978, 12 Tage nach Verhandlungsbeginn, gab Jimmy Carter die Ergebnisse des »Camp-David-Abkommens« bekannt. Israel verpflichtete sich, die Sinaihalbinsel zu räumen und Ägypten versprach einen Friedensvertrag mit Israel. – Kleine Dinge führen zu großen.
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Höhere Instanzen
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Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen
Sicher kennen Sie auch den morgens rasselnden Wecker. Für seine Dreistigkeit sollte er eigentlich öfter den Flug gegen die Wand antreten. Doch im Gegensatz zu den antiken Griechen töten keine Boten, wenn sie schlechte Botschaften überbringen. Denn kein Wecker ist für sein Rasseln verantwortlich. Er vertritt nur die höhere Instanz, die Zeit.
Menschen benutzen diese höhere Instanz intuitiv, besonders wenn sie als »Oberlehrer« auftreten. Um zum Beispiel dem Hundehalter klarzumachen, dass er gefälligst seinen Hund anzuleinen hat. Auch wenn das Verbotsschild schon einen Kilometer zurückliegt und man dem Hund seine dreizehn Lebensjahre ansieht. Sie genießen es, geborgte Macht auszuüben.
Weniger emotional sind Ausreden. Sie leben geradezu von der Vielfalt höherer Instanzen. Beginnend mit der fehlenden Zeit, den beruflichen Zwängen über den anstrengenden Tag, der harten Arbeit, den zwingenden Gesetzen und Vorschriften bis hin zur wartenden Ehefrau sowie den sich vernachlässigt fühlenden Kindern. – Wo kämen wir auch hin, wenn der gute Freund andauernd irgendwelche Gefälligkeiten erwartet und wir jedes Mal eingestehen müssten: „Ich will dir nicht helfen, deinen Stall auszumisten!“ Wir würden schnell unsere so wertvolle Anerkennung einschließlich der Fähigkeit verlieren, im Ernstfall Unterstützung einzufordern.
Verhandlungsstrategen kennen eine besondere Form der Ausrede. Sie heißt: Die heiße Kartoffel fallen lassen. – Versetzen Sie sich in eine Besprechung. Der Gesprächsleiter fragt in die Runde: „Wer arbeitet denn nun Vorschläge über die Fahrradständer neben den Parkplätzen aus?“ Keiner meldet sich freiwillig, doch alle schauen Sie als Neuling in der Runde an. „Herr ‚Neuling‘, das ist doch die richtige Aufgabe für Sie, damit können Sie gleich Ihren Einstand geben.“ Alle Teilnehmer nicken und grinsen unverschämt.
Die offensichtliche Schadenfreude lässt alle Alarmglocken bei Ihnen klingeln. Sie denken sofort an ellenlange Diskussionen. Denn jeder glaubt doch, über Fahrräder Bescheid zu wissen. Danach kommt schnell die Erkenntnis, dass mit dieser Aufgabe nur Arbeit, Verdruss und am Ende ein völlig zerpflücktes Konzept wartet. Keine Aufgabe, um sich brillant in Szene zu setzen, um Anerkennung einzuheimsen. Wenn Sie jetzt eine zündende Ausrede finden, dann gewinnen Sie viele der fast schon verlorenen Punkte zurück, lassen also die »heiße Kartoffel« mit einer trefflichen Ausrede fallen, wenn sie Ihnen einfällt.
Wenn nicht, hilft diese oder eine ähnliche Antwort: „Ja, das ist verlockend, doch bin ich zurzeit so eingespannt, dass ich im Augenblick keine Zusage geben darf. Aber bis zur nächsten Sitzung kann ich die Terminschiene abklären.“ – Damit haben Sie die »heiße Kartoffel« erst einmal beiseitegelegt, damit sie abkühlt und Zeit zum Überlegen freigibt.
Gleichzeitig haben Sie mit dieser Ansprache eine der wichtigsten Verhandlungstaktiken in die Tat umgesetzt, die es gibt. Mit den Worten „Ja, das ist verlockend“ haben Sie erst einmal zugestimmt, Interesse gezeigt, um danach die Sache umzudrehen. Keiner kann Ihnen Ignoranz vorwerfen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit einer solchen Redewendung ist ziemlich groß.
„Und wo bleibt die Wahrheit?“, möchten Sie mich jetzt sicher fragen. Es wäre bestimmt vieles leichter im Leben, wenn wir uns immer wahrheitsgemäß verhalten würden. Oder sagen wir besser, wenn sich alle anderen der Wahrheit verpflichtet fühlen würden. – Doch diese Welt ist nun mal so. Und wenn wir uns als Opfer einer Ausrede fühlen, dann bleibt nur die Intervention. Als Vorgesetzter werden Sie nicht darum herumkommen, vielfach die Ausreden Ihrer Mitarbeiter zu hinterfragen, um der Wahrheit näherzukommen.
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Guter Junge, böser Junge
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Wenn Sie es mit zwei Gesprächspartnern zu tun haben, müssen Sie auf der Hut sein. Einer der beiden wird oft der zurückhaltende, vorsichtige, abwägende oder auch bösartig intervenierende sein, während der andere ihren Wünschen gegenüber positiv eingestellt scheint. Hier sollten alle Alarmglocken klingeln, denn Sie laufen Gefahr, den anderen als Ihren Verbündeten zu bewerten und seine Wünsche viel schneller zu erfüllen als sonst üblich. Dabei ist es meist ein abgekartetes Spiel, um Ihre Widerstände zu brechen.
Wir Menschen geben einer persönlichen höheren Instanz mehr Gewicht als einer anonymen. Und das ist kein Wunder, bildet doch unser Gehirn für Menschen viel mehr und emotionalere Erinnerungen aus als für irgendwelche anonymen Institutionen. Eine Person wirkt deshalb immer stärker, egal ob in guter oder in böser Absicht.
Viele Kriminalfilme zeigen solche Szenen. Der »böse Junge«, der Inspektor verhört den vermeintlichen Mörder, indem er ihm seine Motive vorhält, um ihm danach die Tat bildlich mit den ärgsten Unterstellungen vor Augen zu führen. Er fordert ein Geständnis vom Verdächtigen und droht mit einer langen Haftstrafe sowie mit allerlei aufdeckenden Maßnahmen. Droht beispielsweise damit, seine Wohnung zu durchsuchen, Freunde zu vernehmen einschließlich des Ehepartners und der Kinder.
Anschließend klingelt das Telefon und der Inspektor entschuldigt sich für ein paar Minuten. Herein kommt ein weiterer Beamter, der viel weniger grimmig schaut als der Inspektor. Ja, er lächelt sogar, nähert sich dem vermeintlichen Mörder, klopft ihm wohlwollend auf die Schulter und eröffnet seine Ansprache mit den Worten: „Du tust mir wirklich leid. Keiner von uns ist vor einer solchen Situation gefeit. Aber es ist ja alles nicht so schlimm. Wir wollen dich auch nicht einsperren. Du musst uns nur sagen, wo wir die Tatwaffe finden.“ Natürlich wird der Verdächtige den Ort nicht nennen, doch fährt er seine Aufgeregtheit herunter, spricht mit dem netten Beamten und verrät zuletzt dem »guten Jungen« so viele Details, dass der Mord damit aufgeklärt werden kann.
Präsident Jimmy Carter spielte 1980 den guten Jungen beim Ayatollah im Iran. So jedenfalls berichtete es Roger Dawson über die Verhandlungen zur Freilassung der amerikanischen Geiseln, die seit dem 4. November 1979 im Iran festgehalten wurden. – Da er auch Präsidenten beraten haben soll, bin ich davon überzeugt, dass er den Anstoß für dieses Spiel gab.
Carter signalisierte also dem Ayatollah (mit meinen Worten): „Hör mal, wir haben demnächst Wahlen und es sieht so aus, als ob der nächste Präsident Ronald Reagan heißen wird. Weißt du eigentlich, was das für Leute sind? Reagan ist ehemaliger Wild-West-Darsteller und sein Außenminister wird Alexander Haig. Haig war zur Zeit des tiefsten Kalten Krieges NATO-Oberbefehlshaber in Europa. Ein ganz harter Bursche. Ich rate dir, die Geiseln noch in meiner Amtszeit freizugeben, denn was diese Jungs mit dir machen werden, kann ich nur ahnen.“ – Und obwohl der Ayatollah die Freilassung trotz der dahinterstehenden mächtigsten Nation der Welt ablehnte und sogar Sanktionen auf sich nahm, ließ er sich von der einfachen Personifizierung einiger böser Jungen umstimmen. Am 20. Januar 1981, zur Einführung Ronald Reagans in das Präsidentenamt, kamen die Geiseln nach kurzen Verhandlungen frei.
Ein Patentrezept für die Abwehr solcher Angriffe gibt es nicht. Doch Verhandlungsstärke fußt, wie alle Kompetenzstützen, auf möglichst vielen Erkenntnissen. Erkenntnissen über den vermeintlichen Gegner, den sonstigen Beteiligten und nicht zuletzt über die Sachlage. Damit verfügen Sie über fast unschlagbare Verhandlungs-Waffen.
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Der rote Hering
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Wenn Sie der Chef zu einem Gespräch ruft, breitet sich meist eine gewisse Aufgeregtheit aus. Im Gehirn laufen alle Sünden-Erinnerungen auf. Es füllt sich mit zurechtgelegten Ausreden. Oft jedoch sind Sie anfangs vom Gespräch angenehm überrascht. Er spricht über das sonntägliche Spiel von Borussia Dortmund gegen Bayern München und philosophiert zur Elfmeterentscheidung des Schiedsrichters. Doch dann werden Sie jäh aus den Träumen gerissen: „Wir haben mehr als 50.000 Euro durch Ihren Auslegungsfehler im Saharaprojekt verloren! Bitte erklären Sie mir das!“ Jetzt, da Ihre Assoziationen heruntergefahren sind, fangen Sie vielleicht an zu stottern, weil die dazu passende Ausrede einfach nicht schnell genug auftaucht. – Seien Sie also auf der Hut, wenn jemand vom Thema abschweift und den guten Jungen spielt. Er kann immer schnell den Spieß drehen, besonders dann, wenn er über mehr Macht und Anerkennung verfügt.
Bis jetzt war es nur ein Hauch des roten Herings, nur Ablenkung mit einem irreführenden Thema. – Vom eigentlichen roten Hering sprechen Verhandlungsstrategen erst, wenn ein Gegenstand verhandelt wird, der überhaupt nicht existiert. – Sie wissen, dass Ihre Frau sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben wird, heute Abend mit Ihnen ins Kino zu gehen, um den »Herrn der Ringe« zu sehen. Aber Sie wissen auch, dass Ihre Frau nichts so sehr hasst wie Ihre Kegelabende. So könnte der Dialog beim Frühstück etwa so klingen: „Liebling, Franz rief gestern Abend noch an und erinnerte mich an den Jubiläums-Kegelabend. Es wird also heute nichts mit dem Einkaufen.“ – „Du wirst doch nicht wirklich zu diesen Banausen gehen und mich hier sitzen lassen“, entgegnet sie empört. „Aber Schatz, du wolltest doch heute ohnehin die Show mit Florian Silbereisen sehen!“ – Wenn Sie dieses Spiel eine Weile treiben, wird der Adrenalinspiegel Ihrer Frau schnell steigen. Und wenn Sie dann einlenken und sagen: „Okay Liebling, ich verzichte auf den Kegelabend, aber du kommst mit mir ins Kino.“ Dann besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein „Ja“.
Sie tauschen also den roten Hering, den es nie gab, gegen einen wirklichen Verhandlungsgegenstand. Und so ähnlich passiert es täglich millionenfach in allen Sprachen dieser Erde. Betrachten Sie also jeden neuen Verhandlungspunkt argwöhnisch, indem Sie nachfragen, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen.
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Zugeständnisse
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Nach wie vor gilt das eherne Prinzip: Niemals Zugeständnisse ohne Gegenleistung geben. – Natürlich wird die Gegenseite immer versuchen, Ihre Zugeständnisse abzuwerten sowie eigene Zusagen nur mit knirschenden Zähnen zu geben, und zwar unter Hinweis auf unsägliche Schwierigkeiten im eigenen Haus. Auch wenn dieses Geplänkel als Spiel erscheint, Sie sollten es ernst nehmen, denn nach und nach bauen sich gegebene und genommene Werte in den Köpfen der Verhandlungspartner auf, um am Schluss den Ausgang des oft unausweichlichen Preispokers zu bestimmen.
Sie haben natürlich vorgesorgt und Ihre Erwartungen im schriftlichen Angebot hochgetrieben, wissen aber genau, wie weit Sie mit dem Preis nachgeben können. Meist eröffnet die Käuferseite den Preispoker. Oft mit ähnlichen Worten wie: „Nun haben wir genug über die Vorzüge der Schrauben gehört. Ihr Angebot liegt bei 80.000 Euro. Sicher sind Sie nicht mit leeren Händen gekommen und können uns einen besseren Preis einräumen. Wir wären bereit, die gesamte Charge für 70.000 Euro zu kaufen.“ So, jetzt scheint es nur noch ums Geld zu gehen. Sie wissen, dass ein Abschluss bei 70.000 Euro zwar nicht den Ruin bedeuten würde, doch bliebe nur ein lächerlicher Gewinn übrig.
Was also tun? Sie wollen natürlich so viel wie möglich von dem 10.000-Euro-Differenzbetrag retten. – Zunächst einmal müssen Sie erschrocken reagieren, denn die Käufer beobachten Ihre Reaktion genau. Geben Sie ihnen das Gefühl, ihren Preiswunsch nicht zu hoch angesetzt zu haben. Vielleicht mit den unterstützenden Worten: „70.000 Euro, das liegt weit außerhalb meiner Verhandlungsautorität! Wenn Sie 77.000 Euro gesagt hätten, dann wären wir uns schnell einig geworden. Aber auch das kann ich nur zusagen, wenn wir den Auftrag in mindestens drei Einzel-Chargen unterteilen, sodass die letzte Lieferung erst zwei Monate nach Ihrem Wunschtermin eintrifft.“ Sie fordern bereits hier eine Gegenleistung.
An dieser Stelle muss ich die Vorgehensweisen beim Preispoker kommentieren. Es gibt drei Möglichkeiten:
Da Sie möglichst viel von dem 10.000-Euro-Differenzbetrag retten wollen, wäre es denkbar, nur um 1.000 Euro entgegenzukommen. Sie würden jedoch riskieren, dass die Käufer die Verhandlung abbrechen. Zumindest würden sie es als äußerst unfreundlichen Akt ansehen und Ihnen gehörig einheizen. Wenn Sie dann unter diesem Eindruck noch mal 3.000 Euro nachlassen, leidet nicht nur ihre Glaubwürdigkeit, sondern schlägt um in Gier. – Die Käufer sagen sich: „Erst 1.000 Euro, dann 3.000 Euro Nachlass. Was kommt jetzt? Vielleicht 9.000 Euro?“ – Sie werden den Tisch nicht verlassen können, ohne die volle Anfangsdifferenz von 10.000 Euro auf den Tisch gelegt zu haben.
Ähnlich, aber vielleicht nicht ganz so heftig geht es Ihnen, wenn Sie scheibchenweise immer den gleichen Betrag zugestehen.
Ein Anfangszugeständnis von etwa einem Drittel des Differenzbetrages wird zwar immer noch lange Gesichter hervorrufen, doch es ist eine gute Ausgangsbasis für die nächste Pokerrunde. Wenn Sie jetzt noch weiter bedrängt werden, und vielleicht, mit einer an den Haaren herbeigezogenen Gegenforderung, weitere 1.000 Euro zugestehen, dann können sich die Käufer das Ende ausrechnen. Erst 3.000 Euro, dann 1.000. Die so definierte mathematische Reihe wäre konsequent mit etwa 300 Euro weiterzuführen, sodass am Ende ein Preis von 75.500 Euro stehen würde. Genau Ihre Zielvorstellung. Wenn Sie jetzt diese 1.000 Euro anbieten, werden die Käufer schnell handeln und Ihnen mit einem Angebot von etwa 74.000 Euro entgegenkommen. Allerdings mit dem Hinweis: „Das sollte es dann aber sein!“
Wo Sie den Zielpunkt eines Preispokers hinlegen, hängt natürlich von der Art ab, wie die Käufer Ihnen jene zu Beginn der Verhandlung ausgetauschten verbalen Zugeständnisse überreicht haben. Gleiches gilt auch umgekehrt für das Anfangsangebot der Käufer. Machen Sie deshalb bei jedem Zugeständnis ein saures Gesicht mit Andeutungen der außerordentlichen Schwierigkeiten im eigenen Hause.
Doch bei der Schrauben-Charge stehen immer noch 2.000 Euro zwischen Ihrem Preis und dem Wunschpreis der Käufer. Die Verhandlung dauert insgesamt jetzt schon zwei Stunden. Erschöpfung breitet sich aus. Keine Seite hat noch wesentliche Verluste zu erwarten. Die Verlockung, den Differenzpreis zu teilen, ist jetzt riesengroß, sodass der Abschluss mit 75.000 Euro zustande kommen könnte.
Aber nehmen Sie sich ein Herz und schlagen Sie diese Teilung nicht selbst vor. Maulen Sie so lange, bis die Gegenseite den Vorschlag unterbreitet. Sie haben dann die Wahl, zum Beispiel so zu reagieren: „Nun – mein Preis steht auf 76.000 Euro. Sie sagen, dass 75.000 Euro akzeptabel wären? Das ist gut, denn jetzt sind wir nur noch 1.000 Euro auseinander.“ Frech nicht? Aber äußerst wirkungsvoll, denn mit etwas Geschick werden Sie die 1.000 Euro noch einmal teilen und somit den Preis von 75.500 Euro nach Hause tragen. – Wieder die doppelte Gewinnsituation. Beide Parteien können sich den Sieg anrechnen.
Doch wenn Sie meinen, dass damit der Spießrutenlauf ein Ende hat, irren Sie sich meist. Der Kunde wartet geradezu auf die Entspannung am Schluss der Verhandlung, denn jetzt sind Sie in der angreifbarsten Verfassung. Ihre Anspannung lässt nach, eine gewisse Zufriedenheit breitet sich aus. Daraus werden Sie jäh herausgerissen, wenn die Käufer beim Ausfüllen des Verhandlungsprotokolls kurz aufblicken und zu verstehen geben: „Wir haben hier jetzt 3 Prozent Skonto eingetragen, wenn wir die Rechnung innerhalb von 14 Tagen bezahlen. Okay?“
3 Prozent von überschlägig 70.000 Euro sind ganze 2.100 Euro. Selbst bei einem Zinssatz von 10 Prozent für einen Kredit summieren sich die Zinsen innerhalb von 14 Tagen nur auf etwa 70.000 geteilt durch 100, mal 10 Prozent, geteilt durch 50 Wochen mal 2 Wochen, also auf etwa 280 Euro. Bleibt ein Verlust von etwa 1.800 Euro allein für das Skonto. Kein gutes Geschäft.
Unerfahrene Verkäufer lassen sich überrumpeln und stimmen gleich zu. Aber Sie könnten sich auch zurücklehnen, leicht lächeln und den Käufern das Gefühl geben, unfair zu sein, mit den Worten: „Aber meine Damen und Herren, Sie haben mir das letzte Hemd ab verhandelt. Seien Sie jetzt fair.“ Und damit zollen Sie den Käufern auch noch verbal Ihre ganz persönliche Anerkennung, was Ihnen sicher bei der nächsten Verhandlung helfen wird.
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Verborgene Signale
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Aus dem Titel - Richtig verhandeln
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Darunter fallen verräterische Redewendungen und spontane Körperbewegungen. Redewendungen sind aktive Äußerungen, die unabhängig von emotionalen Zuständen gleich bleiben. Die Körpersprache hängt stark davon ab, ob die Testperson eingeschüchtert, zurückhaltend oder angriffslustig eingestellt ist. Auch unterschiedliche Menschentypen werden sich anders artikulieren.
Dennoch geben die nachfolgend ausgewählten Merkmale aufschlussreiche Anhaltspunkte für den Verhandlungsstand sowie den möglichen Erfolg. – Denn auch hier gilt, wie überall auf der Welt: Jeder Deutungsversuch ist besser als gedankenlose Ignoranz.
Beginnen wir mit den irreführenden Redewendungen. Wer nicht wenigstens einmal davon gehört hat, der lässt sich schnell ablenken oder gar zu falschen Entscheidungen verführen. Horchen Sie also auf, wenn ähnliche Worte fallen.
1. „Wenn ich das mal äußerst bescheiden bemerken darf …“ – Natürlich ist der Sprecher nicht bescheiden, sondern sogar äußerst anmaßend, und er weiß genau, wovon er redet.
2. „Er ist sicher ein guter Familienvater …“ – Ganz bestimmt kein Lob, sondern der Hinweis, dass dies schon seine einzige Qualität darstellt.
3. „Übrigens“ und: „Bevor ich es vergesse“ oder: „Nebenbei bemerkt“. – Nach solchen Ausdrücken kommt oft die bedeutsamste Aussage der Verhandlung.
4. „Ehrlich gesagt“ oder: „Um Ihnen die Wahrheit zu sagen …“. – Nach diesen Worten folgt meist eine dreiste Lüge.
5. „Ich werde mein Bestes tun“ und: „Ich werde sehen, was sich machen lässt“ oder: „Ich werde versuchen, die Kosten unter 3.450 Euro zu senken …“. – Hinhaltetaktik für ohnehin nicht erfüllbare Wünsche.
6. „Ich bin kein Jurist“, „Es geht mich zwar nichts an“ oder: „Es ist mir sehr peinlich …“. – Vorgetäuschte Inkompetenz, um den Gesprächspartner zu überrumpeln.
7. „Stellen Sie sich vor“ oder: „Wie wäre es, wenn …“. – Hier will der Sprecher einen Versuchsballon starten, der ihm Ihre Einstellung dazu verrät.
Enorm wichtig sind auch Themen, die zwar in die Verhandlung hineingehören, aber nicht erwähnt werden. Wenn der Einkäufer zum Beispiel das Thema »Termine« überhaupt nicht anschneidet, dann kann er es vergessen haben, doch oft ist es eine Falle.
Bitte versuchen Sie auf keinen Fall, diese Redewendungen auswendig zu lernen. Sie werden nach dieser Lektüre solche Wörter spüren und gewarnt sein. Übungsmöglichkeiten finden Sie in jedem Gespräch. Achten Sie dabei auf die nachfolgenden Körpersignale. Ein erkennbarer Zusammenhang zwischen Wort und Tat erhöht die Aussagewahrscheinlichkeit. Die Wahrheit ist dann ganz nah.
Der erste und oft auch einzige körperliche Kontakt mit einem Verhandlungspartner ist der Handschlag. Natürlich registrieren Sie, ob der Händedruck selbstbewusst fest, schlaff, feucht oder gar völlig ausdruckslos daherkommt. Hier ergänzt sich bereits der Kontext für diese Person zu den Körpermerkmalen. Wenn danach verbale und körperliche Signale den ergänzten Eindruck unterstreichen, sind Sie mit Ihrem Urteil sicher auf dem richtigen Weg. Hüten Sie sich jedoch davor, den ersten Eindruck auf jeden Fall bestätigen zu wollen. Dann kann es Ihnen so ergehen, wie mir mit Dr. F. in Braunschweig in »Bestimmungsfehler«.
1. Händedruck durch Armkontakt mit der linken Hand unterstützen: Eine Aufforderung zur Partnerschaft, zumindest jedoch ein Ausdruck großer Sympathie.
2. Änderung der Körperhaltung: Gleichbedeutend mit einer Kontextänderung im Gehirn des Verhandlungspartners. Wenn dies während oder gleich nach Ihrer Ansprache geschieht, dann haben Ihre Worte etwas bewirkt.
3. Jacke aufknöpfen: Signal für Entspannung. Das anfängliche Unbehagen weicht.
4. Sitzhaltung zurückgelehnt oder Kinn aufgestützt: Abwartend oder gar desinteressiert.
5. Zurückweichen: Vielleicht haben Sie beim interessierten Vorbeugen die sozial angenehme Distanz zum Gesprächspartner durchbrochen. Diese kritische Distanz beginnt unterhalb von 1,5 Metern, fällt jedoch sehr unterschiedlich aus. Die wesentlichen Einflussgrößen sind:
– Jugendumgebung: Wer auf dem Land aufgewachsen ist, wird immer mehr Abstand halten und auch brauchen.
– Migrationshintergrund: Japaner zum Beispiel leben dichter zusammen als Amerikaner. Sie vertragen geringeren Abstand.
– Körpergröße und Körpermaße als Verhältnis zwischen den Gesprächspartnern: Klein gewachsene Menschen fühlen sich von größeren schnell überwältigt.
– Was für den einen noch ausreichenden Abstand bedeutet, kann für den anderen bereits zu Beklemmungen führen. Ein so drangsalierter Gesprächspartner wird wenig Neigung verspüren, Zugeständnisse einzuräumen.
6. Kopfhaltung gerade oder den Oberkörper zur Tür gelehnt: Tut nur so, als ob er zuhört, will in Wirklichkeit das Gespräch beenden.
7. Kopf schief geneigt: Sehr interessiert, hört aufmerksam zu. Diese Besonderheit ist sogar sehr deutlich bei Hunden zu beobachten.
8. Mit der Hand über das Kinn fahren oder Sitzhaltung nach vorn verlagern und die Arme auf den Tisch legen: Jetzt wird es spannend, es herrscht großes Interesse.
9. Schnelleres Augenzwinkern: Gesteigerte Aufmerksamkeit. Viele schreiben diesem Phänomen auch das Lügen unter Stress zu. Dies halte ich jedoch für zu gewagt.
10. Unwillkürlich die Nase berühren oder gar reiben: Übertriebene oder gar gelogene Antwort.
11. Sich am Ohr ziehen, den Brillenbügel oder einen Stift kauen: Hunger nach mehr Informationen.
12. Mit der Hand am Kragen nesteln: Der Partner fühlt sich eingeengt. Möchte sich aus der Situation stehlen.
13. Sich am Hinterkopf kratzen: Reine Verlegenheit.
14. Mit den Fingern auf den Tisch trommeln: Ungeduld.
15. Hände ringen oder andere Gliedmaßen unkontrolliert bewegen: Nervosität.
16. Blick über die Brillenränder: Missbilligung.
17. Arme vor der Brust verschränken: Totale Ablehnung.
18. Brille abnehmen und auf den Tisch legen: Die Verhandlung ist jetzt zu Ende.
Wissenschaftler streiten sich darüber, ob diese unwillkürlichen Körpersignale durch Nachahmung angenommen werden oder genetisch bedingt sind. Auf jeden Fall entstehen sie aus emotionalen Zuständen wie Spannungen, Zweifel, Erwartungen sowie deren Ausgleich. Ich bin sicher, dass sich bei eingehender Untersuchung die meisten dieser Phänomene als angenommen oder anatomisch bedingt herausstellen würden. – So führt zum Beispiel jeder Kragen schon beim Zuknöpfen zu einem gewissen Engegefühl. Wenn dieses Gefühl dann situationsbedingt wieder eintritt, scheint mir die unterbewusste Kontrolle der Kragenweite doch recht plausibel.
Gern lesen wir von erfolgreichen Menschen in Romanen. Von ihrem festen Gang, ihrem festen Blick und ihrem festen Händedruck. Das führt natürlich zur Nachahmung. In Verhaltensseminaren wird der Ausstrahlungsgewinn durch angepasste Bewegungen, Blicke und kontrollierte Gesichtsmuskulatur trainiert. Alles Versuche, die eigene Anerkennung bereits auf den ersten Blick, für den ersten Eindruck, aufzupolieren. Selbstverständlich gehören auch Mode, Kosmetik, Bodybuilding und sportliche Betätigungen dazu. – Damit verwischen sich natürlich objektive Beurteilungskriterien aus dem ersten Auftritt heraus. Seien Sie deshalb skeptisch, was den ersten Eindruck betrifft.
Körpersignale lassen sich nicht nur beobachten. Gewiefte Verhandlungspartner setzen diese Signale aktiv ein, um den Gesprächspartner anzuregen oder ganz einfach, um seine Fähigkeiten im Umgang mit der Körpersprache zu testen.
Als junger Mensch war auch ich sehr uneinsichtig, wenn es um meinen Nachteil ging. Mit jeder Polizeistreife, die mich bei überhöhter Geschwindigkeit ertappte, musste ich diskutieren. Als Folge blühte mir jedes Mal die Höchststrafe. – Dies dauerte so lange, bis ich das Buch »Der nackte Affe« von Desmond Morris las. Dort stand etwas von Übersprungbewegungen, die unter anderem auch andere Wesen beruhigen sollen. Eine dieser Bewegungen war das Kratzen am Hinterkopf, wie es bei Menschen sowie auch bei Affen zu beobachten ist. – Übersprungbewegungen sind letztlich den unwillkürlichen Körpersignalen gleichzusetzen.
Es war auf der späteren A39, gleich nach der Brücke über den Stichkanal, der den Mittellandkanal mit den Salzgitter-Stahlwerken verband. Die im Rückspiegel auftauchende Polizeistreife forderte mich auf, zu halten. – Alle Sünden-Erinnerungen drängten sich nacheinander ins Bewusstsein. Doch es gab keine plausible Fundstelle, bis auf den im Büro schmorenden Führerschein, das Wort Übersprungbewegung und die Erinnerung an eine Polizeireportage im Fernsehen. Dort bescheinigte der Reporter allen Polizisten große Angst, wenn sie sich einem gestoppten Fahrzeug zu Fuß nähern. Schließlich lauerte immer noch die RAF (Rote Armee Fraktion). – Ich beschloss, diesen Erinnerungen Tribut zu zollen.
Als die zwei Polizisten etwa 20 m hinter mir ausstiegen und auf mich zukamen, öffnete auch ich die Fahrertür, kletterte aus dem Auto und zeigte ihnen mit vorsichtig nach vorn gekehrten leeren Innenhandflächen, dass keine Handfeuerwaffe auf sie wartete. Etwa zur halben Weglänge begann ich, mich ein wenig hilflos am Hinterkopf zu kratzen. Danach traute ich weder meinen Augen noch meinen Ohren.
Kein barscher Befehl, die Fahrzeugpapiere vorzuzeigen, sondern nur freundliches Lächeln und die Frage nach meinem Fahrziel. Auch nachdem ich gestand, keine Papiere dabeizuhaben, blieb die Stimmung herzlich. Einer der Herren telefonierte und eröffnete mir danach ein wenig betreten: „Das mit den Papieren ist kein großes Problem. Wir haben Sie telefonisch identifiziert. Aber so ganz ungeschoren dürfen wir Sie nicht entkommen lassen.“ – „Würden denn fünf DM reichen?“, fragte ich immer noch eine wenig unsicher. „Aber ja“, entgegnete der Ordnungshüter. – Wir tauschten also fünf DM gegen eine Quittung und machten uns wieder auf den Weg.
„Unglaublich“, dachte ich noch mindestens 100 Kilometer weit. „Was so ein kleines Kratzen am Hinterkopf bewirken kann.“
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Essenz und Ausblick
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Aus dem Titel - Richtig verhandeln
Aus der Serie - Warum wir unser Denken begreifen müssen
So ähnlich wie hier beschrieben, verlaufen Verhandlungen auf der ganzen Welt. Natürlich gibt es tausende individueller Finten. Doch mit erkenntnisreicher Vorbereitung werden Sie nicht über den Tisch gezogen, sondern können selbst Trümpfe ausspielen.
Verhandlungskompetenzen gelten für alle Situation. Sie sind nie sicher, wo es Sie trifft. Ob am Frühstückstisch, im Telefongespräch, bei einer Unterredung mit dem Chef, in einer brenzligen Arbeitsgruppensituation oder mit einem Heiratsantrag bei trautem Zusammensein. Seien Sie also auf der Hut.
Verhandlungsteilnehmer stellen gern ihre Kompetenz heraus. Das hilft zwar ihrem Ego und schürt mitunter auch die entgegengebrachte Anerkennung, vermindert aber immer den Verhandlungserfolg. Besonders schlimm wäre es, wenn Sie durchblicken ließen, ein mit allen Wassern gewaschener Verhandlungsprofi zu sein. Damit entsteht eine Konkurrenzsituation nach dem Motto: „So ein Schlaumeier, dem werde ich es zeigen!“
Schließlich fühlt sich jeder als kompetenter Verhandler, weil echte Verhandlungsprofis jedem Unterlegenen das Gefühl vermitteln, gewonnen zu haben.
Viel erfolgreicher ist es, sich ein wenig einfältig zu geben. Etwa mit der Frage: „Ambivalent, können Sie mir diesen Begriff erklären?“ Menschen fühlen sich sicherer, wenn ihr Gegenüber auch Schwächen zeigt.
Alle hier besprochenen Verhandlungsthemen umfassen nur Kernkompetenzen. Meist aber reichen sie, um den eigenen Verhandlungsstil erfolgreich zu verbessern. Bücher über Verhandlungstechniken verwirren oft mit ellenlangen Anweisungen, sodass richtige Einsätze zur passenden Situation selten gelingen. Ich habe es selbst erlebt. Wenn Sie dennoch mehr erfahren wollen, empfehle ich die Hörkassetten über »Die Geheimnisse des erfolgreichen Verhandelns«, von Roger Dawson.
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Hans-J. Schubert (Mittwoch, 03 Juli 2019 16:50)
Demo-Kommentar
Guter Junge, böser Junge: Wie wird man zu einem bösen Jungen?