Chancen für die Politik
Aus der Serie: Soziale Reflexionen unserer Gehirne
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Mit Winston Churchill assoziieren viele Zeitgenossen sein bekanntestes Zitat: »Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ich kenne nur keine bessere«.
Gefühlt präsentiert sich unsere Demokratie derzeit als äußerst kränkliche Staatsform. Selbst die augenblicklich noch hochprozentige Zustimmung für Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als Symptom der Alternativlosigkeit im weitesten Sinne.
Alle in diesem Beitrag angesprochenen Themen sollen aufklären. Aufklären gegen erfolgswidrige Entscheidungen einzelner sowie Institutionen. Doch für Politiker, Werbeindustrie und besonders erfolgreiche Menschen ist dies kein Thema, denn sie scheinen dagegen gefeit zu sein.
Kein Wunder, schließlich gehören sie selbst zu den Akteuren, den Protagonisten des sozialen Erfolgsraubes. – Denn die Sucht danach, mit Anerkennung auch attraktiv wirken zu können scheint grenzenlos. Geschürt durch Talkshows, gestylt mit wöchentlichen Beliebtheitsumfragen gleicht die ganze Szene einem verwirrenden Polittheater mit immer gleichen Autoren und Regisseuren, aber wechselnden Hauptdarstellern. Fragen werden kaum noch beantwortet, sondern nur noch mit eingeübten Monologen ergänzt. Wer als Außenstehender nur halbwegs mitzudenken versucht, entdeckt in Plausibilitätslücken Halbwahrheiten am laufenden Band und wendet sich frustriert ab.
Doch was bitte bleibt Politikern übrig? Schließlich wollen sie wieder gewählt werden. Fachliche Leistungen lassen sich nur marginal als Wahlpropaganda »verkaufen«. Deshalb folgen sie durchweg dem ausgetretenen Pfad des geringsten Widerstandes und betreiben opportunistische Politik. Damit sind Politiker jedoch häufig gezwungen, omnipotente Zuständigkeiten zu zeigen. Fachkompetenz lässt sich dann meist nur noch simulieren. – Ich bin sicher, dass vielen Politikern diese Art der Politik zutiefst widerstrebt.
Offenbar schaden sich Politiker damit auch selbst, denn Fehlentscheidungen häufen sich nicht nur, sondern artikulieren sich mit Krisen sowie chaotischen und kostentreibenden Entscheidungen für Gesetze, die nicht selten von Nachfolgeregierungen wieder zurückgenommen werden. Unzufriedenheit wächst mit unterschwelliger Angst. Einige erkennen hinter dem ganzen Treiben schon den apokalyptischen Wasserstrudel. – Bildquelle: Manfred Bauer.
Doch viel tiefgreifender vollzieht sich daraus ein Denkwandel zur Oberflächlichkeit in der Bevölkerung. Denn anerkannte Politiker, Institutionen sowie besonders erfolgreiche Menschen bleiben nach wie vor Vorbilder, von denen viele Zeitgenossen Ansichten, Gewohnheiten und Denkweisen übernehmen. Kein Wunder, dass heute flächendeckend Fehlentscheidungen wuchern, die nicht nur jedem einzelnen schaden, sondern uns gemeinsam mit den meist unpassenden Vorbildern jede Aussicht auf Erfolgsgerechtigkeit und Chancengleichheit rauben (siehe 4. Soziale Phänomene). Obendrein noch aufgestachelt durch die unaufhaltsam anschwellende Informationsflut. – So kann Demokratie »vor die Hunde gehen«.
Doch wo bitte bleiben denn nun jene Chancen für die Politik?
Der einzige bisher sichtbare Weg aus diesem Dilemma führt zur Aufklärung. Breite Aufklärung zu den eigenen Gehirnfunktionen, die uns über soziale Phänomene unbemerkt in diese Sackgasse getrieben haben. Denn aufgeklärte Gehirne schützen sich weitgehend vor unterschwelliger Erfolgs-Sabotage, erkennen Halbwahrheiten schneller und unterfüttern ihre Entscheidungen mit Erkenntnissen anstelle von unvollständigen Fakten (siehe 6. Konstruktive Antworten).
Den meisten erfolgsarmen Menschen fehlt nämlich nur eine Initialzündung. Eine Zündung, die über Anerkennung Motivationen freisetzt. Motivationen die oft zu einer Sucht nach Bestätigung führen und damit eine Art Perpetuum Mobile im Gehirn installieren. Besonders erfolgreiche Zeitgenossen haben diese Sucht in Schule oder Beruf ausnahmslos selbst erfahren. Es sollte deshalb oberste Pflicht jedes erfolgreichen Politikers sein, allen Menschen die Chance zu ermöglichen, diese Sucht für sich anzunehmen. − So kann sich Aufklärung besonders bei gesellschaftlichen Problemfällen lohnen (siehe auch 5. Vulkane aus Erlebnissen).
Mit Aufklärung wandelt sich auch das Verhältnis zwischen Wählern und Politikern grundlegend. Aufgeklärte Bürger lassen sich weniger von »Bühnenkünstlern« blenden. Dafür fordern sie mehr transparent plausible Ergebnisse und natürlich Antworten, die den Kern jeder Frage treffen.
Zwangsläufig ändern dann auch Politiker ihre Darstellungsweise und damit auch ihre Denkhintergründe. Sie können verstärkt auf Einsichten der Bürger bauen. Notwendigkeiten plausibel erläutern, sodass nachhaltigere Gesetze entstehen werden.
Ein Märchen? Nein, denn es gibt viele Beispiele für so erreichte Erfolge. Allein die Parteikarriere der »Grünen« lässt sich nur aus der Einsicht von nachdenklich gewordenen Bürgern heraus erklären.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass Aufklärung sehr wirksam sein kann, wenn es um das Wohl jedes einzelnen geht, führt in die Blütezeit des deutschen Wirtschaftswunders zurück. Aus opulenten Essgewohnheiten heraus bedrohten Kreislaufkrankheiten nicht nur die Gesundheit breiter Bevölkerungsteile, sondern führten oft sogar zu frühen Lebenskatastrophen durch Herzinfarkte. − Die Folgen der umfassenden einsichtsfähigen Aufklärung sind heute noch wirksam. Menschen pflegen enthaltsamere Essgewohnheiten, treiben Sport, rauchen weniger, beobachten eigene Körpersignale kritisch und lassen sich öfter vorbeugend untersuchen. Der wirksamste Beitrag zu einem langen qualitätsreichen Lebensabend.
Wenn Politiker es mit der selbstgeforderten Erfolgsgerechtigkeit sowie der Chancengleichheit wirklich ernst meinen, haben sie mit dem Oszillatorprinzip Gelegenheit, einen dominierenden Beitrag dafür zu leisten. »Und vielleicht retten sie damit auch die Demokratie«.
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