Versäumte Forschungsfelder
Aus der Serie: Rätsel Gehirn gelöst
Aus dem Titel: Neurowissenschaft in der Klemme
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Warum Wissenschaftler nicht erklären können, wie unsere Gehirne lernen, erinnern, denken und entscheiden. Und wie sie wirklich funktionieren.
Von Neuroforschern kaum beachtete Denkphänomene führten letztlich zum andauernden »Blackout« für die grundsätzlichen Gehirnfunktionen. Zu diesen Phänomenen zählen Ähnlichkeitsdenken, Erkenntnisdenken, vernetzte Erinnerungen sowie Begleit-Emotionen bei jedem Denkvorgang. Systematisch durchdacht, führen sie gemeinsam mit bekannten Forschungsergebnissen zur Erkenntnis, dass nur Oszillator-Mechanismen im Gehirn derartig flexible Funktionen hervorbringen können.
Oszillator-Mechanismen treiben Schwärme aus bis zu hunderttausenden Neuronen (Nervenzellen) zum rhythmischen Feuern. Jedes Neuron bis zu 50 Mal in einer Sekunde. Messbar als elektrische Schwingungen, sichtbar als farbige Flecken in fMRT-Bildern. Jeder einzelne farbige Fleck kennzeichnet einen Oszillator, der mit seinem räumlich/zeitlich einzigartigen Feuerrhythmus nur eine Botschaft durch das Gehirn jagt. Die Botschaft seines Gedankens, seiner Erinnerung.
Elektrische Gehirnschwingungen beobachten Ärzte und Wissenschaftler bereits seit 1929 unter dem Begriff »Elektroenzephalografie« (EEG). Techniker wissen schon lange, dass derartige elektrische Wellen nur aus Oszillator-Mechanismen heraus entstehen können. Doch nur wenige Wissenschaftler folgten bisher dieser Erkenntnis. Professor Wolfgang Klimesch (Uni Salzburg) wurde sogar von Kollegen fast verspottet, als er um die Jahrtausendwende von Oszillatoren sprach und ihnen eine wesentliche Rolle bei allen Denkvorgängen zubilligte.
Erste funktionelle Hinweise auf Oszillator-Mechanismen fand bereits 1949 Donald O. Hebb, sicher ohne es zu ahnen. Seine sogenannte »hebbsche Lernregel« ist heute noch Lernpflicht für Neuroforscher: „Neuronen reagieren umso häufiger miteinander, je öfter sie bereits so reagiert haben“. – Eindeutig ein Rückkopplungs-Mechanismus, wie ihn jeder Oszillator braucht, um zu schwingen. Zwischenzeitlich eindrucksvoll bestätigt mit der entdeckten Langzeit- oder Kurzzeit-Verstärkung (LTP/STP) von Synapsen (Schaltknoten im Gehirn).
Leider gibt es auch hier kaum weiterführende Forschungsberichte. Dabei markieren fMRT-Bilder ausschließlich Oszillatoren mit den dort als farbige Flecken sichtbaren feuernden Neuronenhaufen. Ihre von Sinneseindrücken ausgelöste Dynamik, zeigt deutlich, dass jeder Oszillator seinen eigenen Gedanken als Erinnerung tragen muss.
Auch Emotionen vegetieren immer noch weit abseits als wissenschaftliche Stiefkinder. Ausgegrenzt von der Forschung zum kognitiven (rationalen) Denken, werden sie oft noch als evolutionäre Schmuddelkinder diffamiert. Allenfalls verkettet mit Empathie oder somatischen Markern geduldet. − Allein der tausendfach gehörte Satz, „entscheiden Sie nicht emotional, sondern vernünftig“, zeugt eindrucksvoll von gefährlich verkannten Emotionen.
Dabei funktioniert kein sogenannter kognitiver Denkprozess ohne Emotionen, wie jeder von uns täglich spüren kann. Selbst eine Aufgabe aus der denkbar kognitivsten Disziplin, der Mathematik, kann uns durch alle emotionalen Höhen oder Tiefen treiben. Und letztlich entscheiden doch nur Emotionen darüber, ob wir ein Ergebnis anerkennen oder verwerfen. – Nur Emotionen führen zur Vernunft.
Erinnerungen im Gehirn sind ausnahmslos miteinander vernetzt, produzieren dort ähnliche Ergebnisse wie »Google & Co.« nach einer Stichwortsuche. Eindrucksvoll dokumentiert auf fMRT-Bildern durch zahlreich aufflammende Flecken in verschiedenen Gehirnregionen bei jedem bekannten Begriff, der über Sinne das Gehirn anregt. Eindeutig Gedanken-Oszillatoren. Sie beherbergen jene Assoziationen, wie sie Psychologen schon lange als verknüpfte Denkelemente kennen.
Nun, fMRT-Aufnahmen sind nicht notwendig, um zu erkennen, dass verknüpfte Denkelemente dem Ähnlichkeitsprinzip gehorchen. Ein betrachtetes Blatt beispielsweise lässt nicht nur Blätter anderer Baumarten, sondern auch Waldspaziergänge, sauren Regen oder gar sinnliche Momente im Buchenwäldchen als Erinnerungen vor dem »geistigen Auge« erscheinen. Hier könnte fMRT dazu beitragen, Ähnlichkeitsdimensionen des Gehirns auszuloten. Denn Gedanken-Oszillatoren reagieren nicht nur auf farbliche, räumliche oder klangliche Ähnlichkeiten, sondern auch auf verknüpfte Ereignisse, Charaktere oder Attraktivitäten. Selbst Erkenntnisbausteine, wie beispielsweise jene der Mathematik, erkennt das Gehirn auf diese Weise spielend aus Problemstellungen heraus.
Bisher hat offensichtlich noch kein Neuroforscher untersucht, ob dieses
offensichtliche und elementare Ähnlichkeitsphänomen ein physiologisches Äquivalent in den Bausteinen des Gehirns spiegelt. Eine der schwerwiegendsten Unterlassungssünden. Erkenntnisse zu
diesem Ähnlichkeitsäquivalent in den Gedanken-Oszillatoren des Gehirns sind ultimative Schlüssel. Sie weisen letztendlich sogar alle Wege aus der bedrohlichen
Denkkrise.
Die Antwort der Wissenschaft auf diese Misere erfahren Sie im nächsten Thema.
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