Das duale Berufsbildungssystem scheint bei allen Parteien unumstritten. War es doch bis vor wenigen Jahrzehnten nicht nur Aushängeschild deutscher Qualitätsarbeit, sondern auch ein Garant für den – wenn auch bescheidenen – Lebenserfolg von Fachkräften. Doch der Lebenserfolg bröckelt ……
Infolge der Globalisierung ist heute kein Arbeitsplatz mehr wirklich sicher. Selbst im öffentlichen Dienst kann es nach griechischem Vorbild keine glaubhaften Garantien mehr geben.
Die sozialen Wunden zeigen sich bereits bei Fachkräften ab dem 40. Lebensjahr. Nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ist es fast unmöglich geworden, eine vergleichbare Berufsaufgabe zu erkämpfen. Und dies in einer Zeit, in der immer mehr Menschen immer fitter den Ruhestand erreichen. – Was bitte stimmt denn hier nicht?
Unternehmen beklagen nicht nur den Fachkräftemangel, sondern bevorzugen mit nie gekannter Beharrlichkeit jüngere Bewerber. Obwohl doch ältere Zeitgenossen nach bisheriger Lesart mit einem enormen Erfahrungsvorsprung aufwarten sollen. Gilt denn Erfahrung heute immer weniger?
Ja, so ist es. Aber was heißt »Erfahrung«? Erfahrungen sind Entscheidungsvorlagen aus der Vergangenheit. Doch unsere schnell sich ändernde Arbeitsumgebung kann immer weniger Rückgriffe auf die Vergangenheit vertragen, ohne dabei Effizienz zu verlieren. Frisch ausgebildete Fachkräfte erfreuen sich deshalb außerordentlicher Beliebtheit. – Doch sollte sich jeder so ausgebildete fragen, wie lange sein Wissensvorsprung reicht? Offensichtlich verwelkt er immer schneller.
Natürlich scheint lebenslanges Lernen, wie es ebenfalls von allen Parteien angedroht wird, ein schnell dahergesagter Ausweg zu sein, doch das schriftlich niedergelegte Wissen verdoppelt sich alle vier Jahre, ohne dass wir in der Lage sind, wirklich neues Wissen von Scheinwissen durch Wiederholungen zu unterscheiden. – Wo bitte soll das hinführen?
Der Link auf dem Bild führt zu Ausführungen über das lebenslange Lernen.
An Hochschulen und Universitäten feiert das Modewort »praxisnahe Ausbildung« fröhliches Mengenwachstum. Selbst Barack Obama lobte das deutsche Ausbildungssystem, wie am 26.2.2013 in der FAZ zu lesen stand. Der Weg in diese Sackgasse scheint ausweglos.
Jeder, der sich mit einer praxisnahen Ausbildung einen schnellen und sicheren Berufsstart erkauft, sollte diese Dynamik bedenken. Je größer die Praxisnähe, desto schneller der spätere Kompetenzverfall bei sich wandelnden Aufgaben.
Der Ausweg kann auch hier wieder nur lauten: Erkenntnisse, Erkenntnisse und noch mal Erkenntnisse. – Es ist die konsequente Fortsetzung der Einsichten aus meinen letzten beiden Blog-Beiträgen »(Erfolgsfördernde Lerninhalte?« sowie »Streit um Schulreformen«). Gleichzeitig aber auch der führende Kontext durch unser Buch »Erfolgs-Sabotage im Gehirn«.
Vielleicht fragen Sie sich jetzt:: „Führt die Erkenntnis-Strategie nicht zu einer unnötigen Akademisierung unserer Berufswelt?“ – Ganz sicher, doch mit diesem Trend leben wir schon lange. In den Jahren 1975 bis 2000 hat sich die Akademikerquote in Deutschland von 7 auf 17 Prozent weit mehr als verdoppelt.
Daraus ergibt sich eine weitere Frage: „Führt die Erkenntnis-Strategie nicht zu einem wesentlich höheren Schul- und Ausbildungsaufwand?“ – Ganz sicher nicht. Im Gegenteil, denn das unnötige Faktenlernen lässt sich auf das Wesentliche begrenzen. Und dies zugunsten einer wirklichen Orientierungsfähigkeit aller Menschen in dieser immer undurchsichtiger werdenden Welt.
Und jetzt zur emotionalsten Frage: „Reißt die Akademisierung nicht noch tiefere soziale Gräben durch unsere Bevölkerung?“ – Keinesfalls, denn eine durchgehend Erkenntnis getragene Ausbildung wird wesentlich mehr Schüler und Schülerinnen den Weg in eine akademische Zukunft ermöglichen. Die heute noch so beklagte Abhängigkeit der Bildungsfähigkeit vom sozialen Status wird mit wachsender Erkenntnisfähigkeit aller Schüler abschmelzen.
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